1: Gustave Charpentier (1860-1956)
Gustave Charpentier (* 25. Juni 1860 in Dieuze, Département Moselle; † 18. Februar 1956 in Paris) war ein französischer Komponist, der vor allem durch seine Oper Louise bekannt wurde. Das Werk thematisiert das Leben und die Sehnsüchte der Pariser Arbeiterklasse. Charpentier engagierte sich zudem stark für die kulturelle Förderung und Anerkennung der Pariser Arbeiterinnen.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Kindheit und Zeit in Tourcoing und Lille 1860 bis 1880
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Gustave Charpentiers Vater, ein Bäcker von Beruf, war Amateurmusiker und spielte in seiner Freizeit Violine, Horn und Flöte. Daher erhielt Charpentier schon als Kind ersten Musikunterricht.[1][2][3][4] 1870 floh er mit seiner Familie aus seinem lothringischen Heimatort vor den anrückenden Deutschen nach Tourcoing. Hier erhielt er mit 11 Jahren den ersten formellen Violinunterricht bei Maestro Stappen. Nach fünf Monaten spielte er schon im kommunalen Orchester. Zum Repertoire gehörten Fidelio, Rienzi, Orfeo und L’Etoile du Nord.[2][3] Ab 1875 arbeitete er in einer Strickerei. Er arbeitete sich vom Weber bis zum Buchhalter hoch. In seiner Freizeit spielte er neben Violine auch Klarinette und organisierte unter den Arbeitern mit Unterstützung von Musikern des lokalen Orchesters ein Instrumentalensemble, mit welchem er Sérénades d’Orchestre veranstaltete, die viel Anerkennung fanden. Diese Zeit begründete auch sein Interesse an der musikalischen Ausbildung aller Bevölkerungsschichten. Seinem Arbeitgeber Albert Lorthiois gab er Unterricht im Violinspiel.[2][3][5] Dieser ermöglichte ihm im Gegenzug den Besuch des Konservatoriums in Lille. Hier wurde er vom Geiger M. Martin und in Harmonielehre von M. Lecoq unterrichtet. Nach wenigen Monaten erhielt er einen Prix d’honneur. Nachdem 1878 sein Bemühen um ein staatliches Stipendium für das Pariser Konservatorium zunächst gescheitert war, förderte ihn der Rat der Stadt Tourcoing auf Betreiben Lorthiois mit einem einjährigen Stipendium für ein Studium am Konservatorium in Paris.
Erste Jahre in Paris bis zur Oper Julien 1880 bis 1913
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1881 zog er gemeinsam mit seiner Mutter nach Montmartre.[2] Am Konservatorium studierte er Violine bei Lambert Joseph Massart und Harmonielehre bei Émile Pessard.[4][5] Er hatte den Ruf seine Studien nicht ernst genug zu betreiben, und wiederholte Späße und Streiche sollen zum Zerwürfnis mit Massart geführt haben. Dieser bescheinigte ihm keine Zukunft als Musiker zu haben und veranlasste die Demission vom Konservatorium. Nach kurzer Zeit beim Militär und als durch die Provinz tingelnder Geiger wurde er 1885 erneut am Konservatorium aufgenommen, dieses Mal mit einer ernsteren Gesinnung. Sein Kompositionslehrer Jules Massenet wurde ihm Freund und Mentore.[2][3]
1887 erhielt er den Prix de Rome für die Kantate Didon.[4] Er hielt sich von Januar 1888 bis Juni 1890 in Rom auf.[4] In der Villa Medici entstanden seine bedeutendsten Werke, vor allem die Oper Louise, die ihm 1900 nach entbehrungsreichen Jahren einen sensationellen Erfolg bescherte. Der sozialkritische „musikalische Roman“ über die arme Näherin Louise in der Großstadt Paris war ein atmosphärischer, spezifisch französischer Beitrag zum anbrechenden Verismus. 1900 wurde Charpentier zum Ritter der Ehrenlegion ernannt.[5] Er übertrug sein soziales Engagement auch auf andere Bereiche. So gründete er 1902 das Conservatoire Populaire Mimi Pinson, das weiten Bevölkerungsschichten eine musikalische Ausbildung ermöglichte. Er überredete angesehene Musikprofessoren junge arbeitende Frauen in Gesang, Klavier, Harfe, Tanz und Chorgesang zu unterrichten. Mit regelmäßig veranstalteten Konzerten sowohl in Paris als auch in der Provinz, die oft mit einem guten Zweck verknüpft wurden, gab er ihnen eine Bühne in der Öffentlichkeit. Bis 1914 entwickelte sich sein Konservatorium zu einem der erfolgreichsten und dauerhaftesten musikalischen Einrichtungen der Vorkriegszeit.[4][5][6] 1912 wurde Gustave Charpentier als Nachfolger von Jules Massenet in die Académie des Beaux-Arts gewählt.
Den Zenit seiner Komponistenlaufbahn hatte er zu jener Zeit jedoch bereits überschritten. An den Erfolg von Louise konnte er 1913 mit seiner als Fortsetzung gedachten Oper Julien nicht anknüpfen. Dem als wahrscheinlich zweiten Werk einer Trilogie geplanten Werk folgte keine Fortsetzung.[5]
Späte Jahre 1914 bis 1956
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Bald darauf verstummte Charpentier als Komponist. Stattdessen widmete er sich der Organisation und Veranstaltung von Konzerten und arbeitete als Musikkritiker. Er war interessiert an den technischen Neuerungen seiner Zeit wie Grammophon, Rundfunk und Film. 1920 wurde er als assoziiertes Mitglied in die Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique aufgenommen.[7] 1922 wurde er Offizier und 1930 Kommandeur der Ehrenlegion.[2][3] Noch 1939 wirkte er bei einer Filmfassung seiner Oper Louise des Filmpioniers Abel Gance mit.[5][8][9] Nach dem Zweiten Weltkrieg zog er sich aus der Öffentlichkeit zurück und lebte alleine bis zu seinem Tod in Paris.[5]
Gustave Charpentier starb im Alter von 95 Jahren und wurde auf dem Pariser Cimetière du Père-Lachaise zu Grabe getragen.[10]
Rezeption und Gedenken
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]In Paris ist das Conservatoire Municipal Gustave Charpentier nach ihm benannt.
Werke (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Orchesterwerke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Impressions d’Italie. Sinfonische Suite (entstanden zwischen 1887 und 1889, bei Heugel 1892 publiziert). I. Serenade II. A la Fontaine III. A Mules IV. Sur les cimes V. Napoli. Das Werk wurde unter anderem 1957 vom L’Orchestre De La Société Des Concerts Du Conservatoire De Paris unter der Leitung von Albert Wolff beim Label Decca Records und 1967 vom Orchestre Théâtre National de l’Opéra-Comique unter Pierre Dervaux beim Label EMI eingespielt. Charpentier selbst spielte Sätze daraus, die auf mehreren Schellackplatten erschienen, beim Label Columbia Records ein. Im Jahr 2011 erschien eine Neueinspielung mit Brussels Philharmonic unter Leitung von Hervé Niquet auf der CD mit Buch Gustave Charpentiere et le prix de Rome beim Label Glossa.
- Orchestersuite Nr. 2, Manuskript durch Feuer zerstört
- Munich. Sinfonische Dichtung (1911)
Vokalwerke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Didon. Lyrische Szene (1887 bei Heugel) Text: Augé de Lassus (1841–1914). Charpentier gewann mit der Komposition, die er Jules Massenet gewidmet hatte, 1887 den Prix de Rome. Das Werk erschien am 1. November 2011 in einer Einspielung mit dem Flämischen Rundfunkchor und Brussels Philharmonic unter Leitung von Hervé Niquet auf der CD mit Buch Gustave Charpentiere et le prix de Rome beim Label Glossa. Als Solisten wirkten die Sopranistinnen Manon Feubel und Sabine Devieilhe und der Schweizer Tenor Bernard Richter mit.
- La vie du poète. Sinfonisches Drama für Solostimmen, Chor und Orchester (entstand zwischen 1888 und 1889, vollendet im Januar 1889; Uraufführung: 1892), publiziert bei Paul de Choudens. Text: Gustave Charpentier. Das Werk erschien auf der CD mit Buch Gustave Charpentiere et le prix de Rome.
- La chanson du chemin für Sopran, Tenor, Frauenstimmen und Klavier (1893)
- Poèmes chantés, Lieder für Singstimme und Klavier (1894 bei Heugel publiziert): I La Petite frileuse, Text: J. L. Guez (1885) II Priére [Gebet], Text: Émile Blémont (1888) III A une fille de Capri, Text: L. Puech (1889) IV Chanson automne, Text: Paul Verlaine (1890) V La Cloche félée, Text: Charles Baudelaire (1890) VI Complainte, Text: Camille Mauclair (1893) VII Les Trois Sorciéres, Text: Camille Mauclair (1893) VIII La Musique, Text: Charles Baudelaire (1894)
- Poèmes chantés, Lieder für Singstimme und Orchester (1894) I A mules, Text: Joseph Méry. Transkribiert aus der Szene Nr. 3 der Impressions d’Italie für Bariton und Frauenchor (1893) II Parfum exotique, Text: Charles Baudelaire, für Tenor oder Sopran und kleinen Frauenchor (1893) III La Chanson du Chemin, Text: Charles Baudelaire, Duo für Tenor oder Sopran und kleinen Frauenchor (1893) IV Les Chevaux de Bois, Text: Paul Verlaine (1893) V Allegorie Text: G. Vanor, für Sopran oder Tenor und kleinen Frauenchor (1894)
- Impressions fausses für Bariton, Männerstimmen und Orchester (1894), Text: Paul Verlaine I La veilée rouge für Bariton und Männerchor (1894) II La Ronde des Compagnons für Bariton und Männerchor (1894)
- Les fleurs du mal für Singstimme und Klavier (1895 bei Heugel publiziert) Text: Charles Baudelaire. I Les Yex de Berthe (1895) II Le jet d’eau (1895) auch als Orchesterfassung III La Mort des amants (1895) IV L’Invitation au voyage (1895)
- Sérénade à Watteau für Solostimmen, Chor und Orchester (Uraufführung: 1896, publiziert bei Heugel), Text: Paul Verlaine. Die Uraufführung fand im Jardin du Luxembourg zur Einweihung des dortigen Denkmals Antoine Watteaus statt.[4]
- Le couronnement de la muse für Solostimmen, Chor und Orchester (Uraufführung im Juni 1897 im Nouveau Théâtre in Paris)[4]
- Le chant d’apothéose für Solostimmen, Chor und Orchester (1902). Text: Saint-Georges de Bouhélier. Aufgeführt zum 100. Geburtstag Victor Hugos
- Triptyque (1913) I L’amour au Faubourg II Commediante III Tragediante (unveröffentlicht)
- La vie féerique. Filmszenen für Singstimme und Orchester (nach 1913)
- zahlreiche Einzellieder
Opern
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Louise (1888–1897). Roman musical (Oper). Libretto: Gustave Charpentier. UA 1900 an der Opéra-Comique in Paris
- Julien ou La vie du poète. Poème lyrique (Oper). Libretto: Gustave Charpentier. UA 1913 an der Opéra-Comique in Paris
- L’Amour au faubourg (1910–1913; Fragment). Drame lyrique (Oper). Libretto: Gustave Charpentier. – Späterer Arbeitstitel: Duthoit. Épopée populaire
- Orphée. Légende lyrique (Oper) in 4 Akten (vermutlich 2 davon vertont). Libretto: Gustave Charpentier
- Eros (Fragment)
- Julie (Fragment)
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Kathleen O’Donnell Hoover: Gustave Charpentier. In: The Musical Quarterly, Vol. 25, Nr. 3, Juli 1939, S. 334–350, JSTOR:738749 (englisch).
- Mary Ellen Poole: Gustave Charpentier and the Conservatoire Populaire de Mimi Pinson. In: 19th-Century Music, Vol. 20, Nr. 3, (1997), S. 231–252, JSTOR:746863 (englisch).
- Herbert Schneider: Charpentier, Gustave. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 4 (Camarella – Couture). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2000, ISBN 3-7618-1114-4 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Literatur von und über Gustave Charpentier im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Gustave Charpentier bei Discogs
- Gustave Charpentier bei IMDb
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Robert Orledge: Charpentier, Gustave. In: Grove Music Online. Oxford University Press, 20. Januar 2001, abgerufen am 13. November 2024 (englisch).
- ↑ abcdef Kathleen O’Donnell Hoover: Gustave Charpentier. In: The Musical Quarterly. Band 25, Nr. 3, Juli 1939, ISSN 0027-4631, S. 334–350, JSTOR:738749 (englisch).
- ↑ abcde Ruth Iona Foley: The songs of Gustave Charpentier. Hrsg.: University of Nebraska. Lincoln 2000 (englisch, proquest.com).
- ↑ abcdefg Don Michael Randel: The Harvard Biographical Dictionary of Music. The Belknap Press of Harvard University Press, Cambridge MA / London 1996, ISBN 0-674-37299-9, Charpentier, Gustave, S. 153 (englisch, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche [abgerufen am 15. Oktober 2019]).
- ↑ abcdefg Gustave Charpentier bei AllMusic (englisch)
- ↑ Mary Ellen Poole: Gustave Charpentier and the Conservatoire Populaire de Mimi Pinson. In: 19th-Century Music. Band 20, Nr. 3, 1997, ISSN 0148-2076, S. 231–252, doi:10.2307/746863, JSTOR:746863 (englisch).
- ↑ Académicien décédé: Gustave Charpentier. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 25. August 2023 (französisch).
- ↑ Louise (1939) bei IMDb
- ↑ Review of Louise. In: The Modern Language Journal. Band 24, Nr. 7, 7. April 1940, S. 545–545, doi:10.2307/316482, JSTOR:316482 (englisch).
- ↑ Das Grab von Gustave Charpentier. knerger.de
Personendaten | |
---|---|
NAME | Charpentier, Gustave |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Komponist |
GEBURTSDATUM | 25. Juni 1860 |
GEBURTSORT | Dieuze, Département Moselle, Frankreich |
STERBEDATUM | 18. Februar 1956 |
STERBEORT | Paris, Frankreich |
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2: Marc-Antoine Charpentier (um 1643-1704)
Marc-Antoine Charpentier [maʁk ɑ̃ˈtwan ʃaʁpɑ̃ˈtje] (* um 1643 in Paris; † 24. Februar 1704 ebenda) war ein französischer Komponist zur Zeit Ludwigs XIV. Eines seiner bekanntesten Werke ist das Hauptthema aus dem Präludium seines Te Deum, das heute als Fanfare bei Fernseh-Übertragungen im Rahmen der Eurovision verwendet wird.
Leben
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Sein Vater und sein Großvater waren hohe Beamte am französischen Hof und beim Parlement de Paris, so dass eine Karriere als Künstler ein ungewöhnlicher Weg für Charpentier war. Doch angezogen von italienischen Bildern, reiste er 1665 nach Rom, um dort Malerei zu studieren. Er kam in Kontakt mit Giacomo Carissimi, dem damals berühmtesten römischen Komponisten, und wurde dessen Schüler.
1670 erhielt er eine Anstellung bei Marie de Lorraine (1615–1688), genannt Mademoiselle de Guise, die an ihrem Hof ein berühmtes Musiker- und Sängerensemble unterhielt. 1672 folgte er der Bitte von Molière, die Stelle von Jean-Baptiste Lully zu übernehmen, um den musikalischen Teil seiner Ballett-Komödien am théatre français zu gestalten.
Nach dem Tode der Mademoiselle de Guise 1688 erhielt Charpentier eine Anstellung bei den Jesuiten als maître de chapelle (Kapellmeister) an der Kirche Saint Louis und dem Kolleg Louis-le-Grand. Trotz seiner Bemühungen erhielt Charpentier keine Anstellung beim König, wurde jedoch oft mit Aufträgen bedacht. 1698 erhielt er eine feste Anstellung als Musiklehrer der Kinder der Sainte Chapelle mit herrschaftlicher Wohnung innerhalb des Palastes. Außerdem hatte er zu allen feierlichen Anlässen Musiken zu komponieren.
Tonartenschema „Énergie des modes“
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Charpentier ordnete in seiner Musik die verschiedenen Tonarten jeweils bestimmten Charakteristiken oder Stimmungen zu, die er mit dem Begriff „Énergie des modes“ bezeichnete.[1][2]
Tonart | Original | Übersetzung |
---|---|---|
C-Dur | gai & guerrier | lustig und kriegerisch |
c-Moll | obscur & triste | dunkel und traurig |
D-Dur | joyeux & très guerrier | fröhlich und sehr kriegerisch |
d-Moll | grave & dévot | ernst und fromm |
E-Dur | cruel & dur | grausam und hart |
e-Moll | horrible & affreux | grauenhaft und schrecklich |
Es-Dur | querelleux & criard | streitlustig und schreiend |
es-Moll | efféminé, amoureux & plaintif | weibisch, verliebt und klagend |
F-Dur | furieux & emporté | wütend und aufbrausend |
f-Moll | obscur & plaintif | düster und klagend |
G-Dur | doucement joyeux | behutsam fröhlich |
g-Moll | sérieux & magnifique | ernst und prunkvoll |
A-Dur | joyeux & champêtre | fröhlich und ländlich |
a-Moll | tendre & plaintif | zärtlich und klagend |
B-Dur | magnifique & joyeux | prunkvoll und fröhlich |
b-Moll | obscur & terrible | düster und schrecklich |
H-Dur | dur & plaintif | hart und klagend |
h-Moll | solitaire & mélancolique | einsam und schwermütig |
Musik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Charpentier führte das lateinische Oratorium in Frankreich ein. Er kombinierte italienischen und französischen Stil in Rezitativ und Arie und räumte dem Chor eine bedeutende Rolle ein.[3] Die chorische Satzweise ist bei Charpentier vielfältiger als bei seinem Lehrer Carissimi, es finden sich reiner und modifizierter A-cappella-Stil, Konzertieren mit mehreren Chören, mit Solo und Chor oder mit Instrumentengruppen.[4] Seine 34 Werke dieser Gattung vereinigen dramatische Kontraste mit der Verlebendigung von Textdetails.[3] Die großformatige Kirchenmusik am Versailler Hof mit ihren Grand Motets wirkte entscheidend auf Charpentiers ähnlich besetzte Oratorien ein.[4] Einflüsse der Oper finden sich etwa in dem Prélude, das den zweiten Tail von Judicium Salomonis (1702) wie eine Schlummerszene eröffnet.[5]
Die machtvolle Position Lullys mit „unvergleichliche[n] Privilegien und Hofämter[n]“ bekam auch der hervorragende Komponist Charpentier zu spüren.[6] Einschränkungen der Musikerzahl für Operndarbietungen fielen nach Lullys Tod 1687 fort, sodass Charpentiers Tragédie lyrique Médee 1693 an der Oper zur Aufführung gelangen konnte. Außergewöhnlich ist die Charakterisierung der verschiedenen Persönlichkeiten der Heldin als Geliebte, Mutter, eifersüchtige Ehefrau, sowie wütende und bösartige Zauberin. Der italienische Vokalismus ist mit präziser französischer Deklamation verbunden, Ariosi nehmen einen Platz zwischen Arie und Rezitativ ein. In den Tänzen sind die Mittelstimmen sorgfältig ausgebildet. Die Harmonik bietet scharfe Chromatik und evokative Dissonanzen.[7] Diese Neuerungen gegenüber Lullys Musik bedingte eine Ablehnung bei den Anhängern Lullys und das rasche Verschwinden der Oper aus dem Repertoire.[8]
Charpentiers erste Theatermusik, die Intermedien zu Molières Le malade imaginaire (Der eingebildete Kranke) von 1673, bietet einen pastoralen Prolog mit Arien, Chor und Tänzen, wie es später bei Lully üblich werden sollte, ferner Possen, Galanterien und Parodien. Wegen Lullys Privileg, das alle Theateraufführungen mit mehr als zwei Singstimmen und sechs Streichinstrumenten untersagte, musste Charpentier die humorvolle Komposition umarbeiten.[9] Nach Molières Tod komponierte er die Zwischenmusiken zu Circé (1675) von Thomas Corneille und zu Andromède (1682) von Pierre Corneille, einer tragédie à machines. Insgesamt ist Musik von Charpentier zu 30 Bühnenwerken vorhanden.[7]
Charpentier ist der einzige französische Komponist des Barock mit nennenswerten Beiträgen zur konzertierenden Messe. Er schuf neun Vertonungen des Ordinariums höchst unterschiedlicher Gestaltung: Die Messe pour le Port Royal folgt im Gegensatz zu anderen mehrchörigen Werken dem Gestaltungsmittel der Monodie. Die Messe de minuit bietet populäre Weihnachtslieder. Typisch sind instrumentale Einschübe und die Integration von Sätzen, die nicht zum Ordinarium gehören.[10]
Über 400 Werke verschiedener Textgattungen können der Gattung Motette zugeordnet werden. Am bekanntesten ist das Te Deum WV 147, das als Sendezeichen der Eurovision breiteste Bekanntschaft genießt.[11] Die pathetische Wendung der majestätischen Eröffnungsmelodie ähnelt einer Opernarie Lullys.[12]
Charpentiers Sorgfalt, alle Kopien seiner Werke binden und datieren zu lassen, ist es zu verdanken, dass der Nachwelt mehr als drei Viertel seiner Werke erhalten blieben. Sein Erbe umfasst 28 handschriftliche Bände mit rund 550 Werken, die im Hitchcock-Verzeichnis (Kürzel: H) katalogisiert sind.
Werke (Auswahl)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]Opern
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Les amours d’Acis et de Galatée (1678, Musik verloren) (Jean de La Fontaine)
- Les arts florissants, Idylle en musique H.487 (1685)
- La descente d’Orphée aux enfers H.488 (1686–1687)
- Jugement de Pan (Das Urteil des Pan) H.479 (1675)
- Philomèle (Musik verloren)
- Médée H.491 (1693–1694, Paris)
- David et Jonathas H.490 (1688)
- Celse martyr (1687, Musik verloren)
Pastoralen
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Actéon H.481 (1684)
- La couronne de fleurs H.486 (Der Blumenkranz) (1685)
- La fête de rueil H.485 (1685)
- Il faut rire et chanter: dispute de bergers (Disput der Schäfer. Man soll lachen und singen) H.484 (1685)
- Le retour de printemps (Die Rückkehr des Frühlings) (Musik verloren)
- Petite pastorale H.479 (1675)
- Amor vince ogni cosa H.492 (?)
- Cupido perfido dentr’al mio cor H.493 (?)
- Les plaisirs de Versailles H.480 (Die Freuden von Versailles) (1680)
Schauspielmusik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Circé, H.496 (1675), zu einer Tragödie von Thomas Corneille
- Andromède, H.504 (1682), zu einer Tragödie von Pierre Corneille
Komödien
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Idylle sur le retour de la santé du roi (Die Freude über die Genesung des Königs) H.489 (1686–1687)
- L’inconnu (Der Unbekannte) (1675, Musik verloren) (Thomas Corneille & Donneau de Visé)
- Les amours de Vénus et Adonis, H.507 (1685)
Ballett-Komödien für Molières Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- La comtesse d’Escarbagnas H.494i (1672)
- Le mariage forcé (Die Zwangsheirat) H.494ii (1672)
- Le médecin malgré lui (Der Arzt wider Willen) (1672, Musik verloren)
- Les fâcheux (Die Lästigen) (1672, Musik verloren)
- Le malade imaginaire (Der eingebildet Kranke) H.495, H.495a, H.495b (1672)
- Le Sicilien (Der Sizilianer) H.497 (1679)
- Le dépit amoureux, (ouverture) (1679, Musik verloren)
- Psyché (1684, Musik verloren)
Interludes (Intermezzi)
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Le triomphe des dames (Der Triumph der Damen) (1676, Musik verloren)
- La pierre philosophale (Der philosophische Stein) H.501 (1681)
- Endymion H.502 (1681)
Geistliche Vokalmusik
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Te Deum C-Dur für acht Stimmen (H.145) (1670)
- Te Deum D-Dur (H.146) (1690)
- Te Deum für vier Stimmen (H.147) (1690)
- Te Deum für vier Stimmen (H.148) (1698)
- Messe H.1 (1670 ?)
- Messe pour les Trépassés à 8 H.2 (1670)
- Messe à 8 voix et 8 violons et flûtes H.3 (1670)
- Messe à 4 choeurs H.4 (1670 ?)
- Messe pour le Port-Royal H.5 (1680)
- Messe à 4 voix, 2 violons, 2 flûtes, 2 hautbois pour Mr Mauroy H.6 (1690)
- Messe des morts à 4 voix H.7 (1690)
- Messe pour le samedi de Pâques à 4 voix H.8
- Messe de minuit H.9 – Hierbei handelt es sich um eine Parodiemesse, d. h. eine Messe, die eine bereits bestehende Melodie als cantus firmus beinhaltet. Charpentier greift hier auf eine Technik zurück, die bereits in der vierten Generation der franko-flämischen Komponisten (1520–1550) Verwendung fand. Er arbeitet mehrere weltliche cantus-firmi in jeden Satz mit ein, die er aus damaligen bekannten Weihnachtsliedern (Noëls) übernommen hat.
- Messe des morts à 4 voix & symphonie H.10 (1695)
- Assumpta est Maria: Missa sex vocibus cum simphonia H.11 (1699)
- 10 Magnificat H.72–H.81
- 207 Motetten H.233–H.439
- Pestis Mediolanensis H.398 (1670)
- Mors Saülis et Jonathae H.403 (1680)
- Canticum in nativitatem Domini H.393 (1670)
- In Nativitatem D. N. J. C. Canticum H.414 (1683–1685)
- In nativitatem Domini canticum H.416 (1680)
- In nativitate Domini Nostri Jesu Christi canticum H.421(1698 - 99)
- Dialogus inter angelos et pastores Judeae in nativitatem Domini H.420 (1690)
- Caecilia virgo et martyr H.415 & H.415 a (1686)
- Caecilia virgo et martyr H.413 (1683 - 85)
- Caecilia virgo et martyr octo vocibus H.397 (1670)
- Judicium Salomonis H.422 (1702)
- 84 psaume H.149-H.232
- 54 Leçons de Ténèbres, Répons H.91–H.144
Instrumental
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Symphonie pour un reposoir H.508 (1670)
- Messe pour plusieurs instruments au lieu des orgues H.513 (1670)
- Offerte pour l'orgue et pour les violons, flûtes et hautbois H.514 (1670)
- Symphonie pour un reposoir H.515 (1670)
- Prélude, menuet et Passepied pour les flûtes et hautbois devant l'ouverture H520 (1679)
- Noël pour les instruments H.531 (1680)
- Noël sur les instruments H.534 (1690)
- Concert pour 4 parties de violes H.545 (1680 - 81)
- Sonate à 8 H.548 (?)
- Sinfonien (Musik verloren)
Theoretische Werke
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Remarque sur les messes à 16 parties d'Italie (H.549) 1670
- Règles de Composition par Mr Charpentier (H.550) 1692 ?. In deutscher Übersetzung: Regeln für die Komposition. Übertragung aus dem Französischen von Otto Eckle. Opus, Frankfurt am Main 2013, ISBN 978-3-934263-05-5 (urn:nbn:de:hebis:30:3-317006).
- Abrégé des règles de l’accompagnement de Mr Charpentier (H.551) 1692.
Eponyme
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]1999 wurde der Asteroid (9445) Charpentier nach ihm benannt.
Literatur
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Catherine Cessac: Marc-Antoine Charpentier. Amadeus Press, Portland c. 1995, ISBN 0-931340-80-2.
- Catherine Cessac: Charpentier, Marc Antoine. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 4 (Camarella – Couture). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2000, ISBN 3-7618-1114-4, Sp. 747–769 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
- Hugh Wiley Hitchcock: Les œuvres de Marc-Antoine Charpentier: Catalogue Raisonné. Picard, Paris 1982, ISBN 2-7084-0084-3 (Kurzfassung online ( vom 15. September 2016 im Internet Archive); PDF; 184 kB).
- Martin Miersch: Zum Wettstreit der Künste in einer Barockoper. In: Sabine Heiser, Christiane Holm (Hrsg.): Gedächtnisparagone – intermediale Konstellationen (= Formen der Erinnerung Band 42). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010, ISBN 978-3-89971-554-5, S. 169–189 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Shirley Thompson: New Perspectives on Marc-Antoine Charpentier. Ashgate Publishing, Farnham et. al. 2010, ISBN 978-0-7546-6579-3.
Weblinks
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- Werke von und über Marc-Antoine Charpentier im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Noten und Audiodateien von Marc-Antoine Charpentier im International Music Score Library Project
- Digitale Publikationen über Charpentier im Centre de musique baroque de Versailles (französisch)
- Charpentier-Projekt von John S. Powell, mit vielen Notenbeispielen
- Präludium aus dem Te Deum von 1692 (als Erkennungsmelodie der Eurovision)
Einzelnachweise
[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]- ↑ Catherine Cessac: Marc-Antoine Charpentier. Englische Übersetzung: E. Thomas Glasow. Amadeus Press, Portland 1995, ISBN 0-931340-80-2, S. 406f und 524 (Original: Librairie Arthème Fayard, Paris 1988).
- ↑ Henri de Villiers: Marc-Antoine Charpentier : tableau des énergies des modes (französisch), abgerufen am 5. Januar 2018.
- ↑ ab Donald Jay Grout, Claude V. Palisca: A history of western music. 5th edition, W. W. Norton, New York 1996, S. 345.
- ↑ ab Günther Massenkeil: Oratorium und Passion. Teil 1. Laaber Verlag, Laaber 1998, (= Handbuch der musikalischen Gattungen, Band 10/1), ISBN 978-3-89007-133-6, S. 169.
- ↑ Werner Braun: Die Musik des 17. Jahrhunderts. Athenaion, Wiesbaden 1981 (= Neues Handbuch der Musikwissenschaft, Band 4), ISBN 3-7997-0746-8, S. 222f.
- ↑ Gernot Gruber: Kulturgeschichte der europäischen Musik. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Bärenreiter/Metzler, Kassel/Berlin 2020, ISBN 978-3-7618-2508-2 (Bärenreiter), ISBN 978-3-662-61629-1 (Metzler), S. 279.
- ↑ ab H. Wiley Hitchcock: Charpentier, Marc-Antoine. In: Grove Music Online. Oxford Music Online. Oxford University Press, Version: 20. Januar 2001. http://www.oxfordmusiconline.com.
- ↑ Elisabeth Schmierer: Charpentier, Marc-Antoine. In: Horst Weber (Hrsg.): Metzler Komponistenlexikon. Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, S. 154–156, hier 155.
- ↑ Elisabeth Schmierer: Charpentier, Marc-Antoine. In: Horst Weber (Hrsg.): Metzler Komponistenlexikon. Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, S. 154–156, hier 155f.
- ↑ Wolfgang Hochstein: Die Messe. In: Ders. (Hrsg.): Geistliche Vokalmusik des Barock. Teilband 1. Laaber-Verlag, Laaber 2019 (= Handbuch der Musik des Barock, Band 2/1), ISBN 978-3-89007-872-4, S. 133–182, hier 159ff.
- ↑ Elisabeth Schmierer: Charpentier, Marc-Antoine. In: Horst Weber (Hrsg.): Metzler Komponistenlexikon. Metzler, Stuttgart/Weimar 1992, S. 154–156, hier 155.
- ↑ Werner Braun: Die Musik des 17. Jahrhunderts. Athenaion, Wiesbaden 1981 (= Neues Handbuch der Musikwissenschaft, Band 4), ISBN 3-7997-0746-8, S. 102.
Personendaten | |
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NAME | Charpentier, Marc-Antoine |
KURZBESCHREIBUNG | französischer Komponist |
GEBURTSDATUM | um 1643 |
GEBURTSORT | Paris |
STERBEDATUM | 24. Februar 1704 |
STERBEORT | Paris |
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