Loanable funds

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Bei der Loanable-funds-Theorie (deutsch „Kreditfondstheorie“ oder „Theorie ausleihbarer Gelder“) handelt es sich um eine neoklassische Zinstheorie. Im Gegensatz zur klassischen Kredittheorie wird die Kapitalangebots-/Nachfragerelation von Sparguthaben/Kreditnachfrage (S/I) um exogenes Geldangebot (ΔM durch die jeweilige Zentralbank) und um Geldhortung (H) im Sinne einer nachfragenden Funktion erweitert. Ein erhöhtes Kapitalangebot durch die Zentralbank gegenüber den Geschäftsbanken verringere daher den Marktzins, eine Erhöhung des (Bargeld-)Hortens erhöhe die Nachfrage nach Kapital und erhöhe damit den Marktzins.

Als relevante Angebotsfaktoren stehen innerhalb der Theorie also Sparen (S) sowie Zentralbankgeldangebot (M) auf der einen Seite zur Verfügung, als relevante Nachfragefaktoren Kreditnachfrage (I) sowie Geldhortung (H).

Innerhalb der Theorie wird Geldhortung allerdings als irrational angenommen und ein Enthorten („Dishoarding“) erhöhe insofern das Kapitalangebot zu Gunsten des Kreditmarktes und verringere daher den Zins.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Loanable-funds-Theorie geht zurück auf das Jahr 1937. Sie wurde von Dennis Holme Robertson[1], Bertil Ohlin[2] und von R. G. Hawtrey formuliert.[3] Ohlin berief sich zu den Ursprüngen der Theorie auf den schwedischen Ökonomen Knut Wicksell (Geldzins und Güterpreise 1898)[4] und der sogenannten Stockholmer Schule zu.[5] Als Mitglieder der Stockholmer Schule nennt Ohlin ausdrücklich Erik Lindahl und Gunnar Myrdal. Die Loanable-Funds-Theorie wird heute auf Ohlin, Robertson, Lerner zurückgeführt.

Ohlin wandte sich gegen die klassische Vorstellung, der Zins werde allein durch Ersparnis und Investition bestimmt.[6]

Die Theorie ausleihbarer Fonds war als Entgegnung zu Keynes Liquiditätspräferenztheorie formuliert worden,[7] worin Keynes die Hortung liquider Mittel einerseits als konjunkturdämpfend, andererseits als dem „Kapitangebot“ entzogene Mittel (Bargeldhortung der Nichtbanken) postuliert hatte.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während der Begriff Loanable-funds-Theorie in der wissenschaftlichen Literatur einheitlich im obigen Sinn gebraucht wird,[8][9] verwenden Lehrbuchautoren[10] und Blogger[11] die Worte „loanable funds“ gelegentlich im Zusammenhang mit der klassischen Zinstheorie. Dieser umgangssprachliche Gebrauch vernachlässigt den entscheidenden Beitrag der Loanable-funds-Theorie, nämlich die Integration des Geldmarktes (Geldtheorie).

Bei der heute als neoklassisch einzustufenden Loanable Funds Theorie ging es vorrangig (ähnlich wie beim Sayschen Theorem postuliert) darum, die von Keynes postulierte (wachstumshemmende) Liquiditätspräferenz[12] (bzw. die daraus evtl. rückläufig nachfragenden Kreditaufnahmen) der privaten Haushalte (Konsumenten und private Unternehmen) während der Rezession als „irrational“ abzuwerten und damit in der Praxis als für die Zinshöhenbildung als nicht relevant zu kategorisieren.[13]

Etwas sarkastisch reagierte Keynes 1937 auf die Theorie ausleihbarer Fonds, die sich bemüht im Vorhinein (ex ante) Zinshöhen zu berechnen, wie folgt:

„Wenn sich die Liquiditätslage nicht ändert, kann die Öffentlichkeit ex ante und ex post und ex ‚anything‘ sparen, bis sie blau anläuft, ohne das Problem [d. h. die Nachfrage nach Geld, nicht nach Sparen, JB] auch nur im Geringsten zu lindern – es sei denn, das Ergebnis ihrer Bemühungen besteht darin, den Umfang der Aktivität auf das Niveau von vorher zu senken.“

Keynes, zitiert von Jörg Bibow 2009[14]

Die Liquiditätspräferenztheorie fokussiert auf Bestandsgrößen (stock concept), die loanable funds Theorie fokussiert auf Stromgrößen (flow concept).[15][16]

Während der 1930er Jahre, und dann wieder während der 1950er Jahre, wurde die Beziehung zwischen der Loanable-funds-Theorie und der Liquiditätspräferenztheorie eingehend diskutiert. Einige Autoren betrachteten beide Ansätze als gleichwertig.[17] Über diese Frage besteht jedoch keine Übereinstimmung.

Heute wird die Loanable funds Theorie als nicht ausreichend zur Zinsbestimmung eingeordnet.[18]

„Bei der Loanable Funds-Theorie werden zwei ungleiche Begriffspaare (Investieren und Sparen, Horten und Geldmengenerhöhungen) miteinander vermischt, ohne die Wirkungsmechanismen zwischen den Geld-, Kapital- und Kreditmärkten zu erklären. Diese sind jedoch komplexer, als dies in der Loanable Funds-Theorie zum Ausdruck kommt.“

Ralph Anderegg: Grundzüge der Geldtheorie und Geldpolitik, München 2007, S. 103.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Dennis Holme Robertson, Industrial Fluctuation and the Natural Rate of Interest, in: The Economic Journal, vol. 44, 1934, S. 650–656. Zitat S. 652: "If [after an industrial expansion], the banks keep the rate of interest right down, ... the initial rate of lendings per atom of time will exceed the rate of available new savings, and the whole of the excess ... will consist of newly-created bank money."
  2. Bertil Ohlin, Some Notes on the Stockholm Theory of Savings and Investment II., in: The Economic Journal, vol. 47, 1937, S. 221–240.
  3. Claus Köhler: Geldwirtschaft, Geldversorgung und Kreditpolitik (Band 1), Berlin 1977, S. 159.
  4. Knut Wicksell, Geldzins und Güterpreise, 1898, Nachdruck 1968, Aalen: Scientia.
  5. Bertil Ohlin, Some Notes on the Stockholm Theory of Savings and Investment I, in: The Economic Journal, vol. 47, 1937, S. 53–69
  6. "One cannot say that the rate of interest equalises planned savings and planned investment, for it obviously does not do that. How, then, is the height of the interest rate determined. The answer is that the rate of interest is simply the price of credit, and that it is therefore governed by the supply of and demand for credit. The banking system – through its ability to give credit – can influence, and to some extent does affect, the interest level." (Bertil Ohlin, Some Notes on the Stockholm Theory of Savings and Investment II, in: The Economic Journal, vol. 47, 1937, S. 222).
  7. Claus Köhler: Geldwirtschaft, Geldversorgung und Kreditpolitik (Band 1), Berlin 1977, S. 159.
  8. Alvin H. Hansen, Classical, Loanable Fund, and Keynesian Interest Theories, in: Quarterly Journal of Economics vol. 65, 1951, S. 429–432.
  9. Sho-Chieh Tsiang, Liquidity Preference and Loanable Funds Theories, in: American Economic Review 46, 1956, S. 539–564.
  10. N. Gregory Mankiw, Macroeconomics, Eighth edition/Macmillan, 2013, S. 68.
  11. Vgl. etwa Bill Mitchell: "The IMF fall into a loanable funds black hole again", 22. September 2009.
  12. „Hierbei ist noch einmal zu betonen, daß die Liquiditätstheorie des Zinses keine neue Entdeckung von Keynes ist. Ganz ausführlich und in aller Form hat sie in Deutschland A . H a h n , der auf Wicksells und Schumpeters Arbeiten fußt, schon in seiner 1920 erschienen Volkswirtschaftlichen Theorie des Bankkredits entwickelt, wo er den Zins, in fast wortwörtlicher Übereinstimmung mit Keynes, als den ‚Preis des Liquiditätsverlustes‘ bezeichnet.“ (Wilhelm Lautenbach: Der Streit um J. M. Keynes´ Theorie [PDF, S. 7 f], erstveröffentlicht in: Die Bank 1937).
  13. Vgl. Claus Köhler: Geldwirtschaft, Geldversorgung und Kreditpolitik (Band 1), Berlin 1977, S. 164.
  14. “If there is no change in the liquidity postion, the public can save ex ante and ex post and ex anything else until they are blue in the face, without alleviating the problem [i. e. the demand for money, not saving, JB] in the least – unless, indeed, the result of their efforts is to lower the scale of activity to what it was before.” (Jörg Bibow, Keynes on Monetary Policy, Finance and Uncertainty, Routledge, London and New York 2009, S. 63.
  15. Claus Köhler: Geldwirtschaft, Geldversorgung und Kreditpolitik (Band 1), Berlin 1977, S. 163.
  16. Vgl. Duwendag, Ketterer, Kösters, Pohl, Simmert (Hrsg.): Geldtheorie und Geldpolitik in Europa, Berlin 1999, S. 145: „Nach der Veröffentlichung von Keynes´ ‚General Theory‘ wurde hauptsächlich von Ohlin, Robertson und Hawtrey der Liquiditätspräferenztheorie als Alternative die Loanable Funds Theorie (Theorie der ausleihbaren Fonds, Kreditfondstheorie) gegenübergestellt. Während erstere Bestandsgrößen verwendet, benutzt letztere Stromgrößen. Die Theorie der ausleihbaren Fonds kann als erweiterte klassische Theorie angesehen werden. [...] Das Kreditangebot entstammt aus Ersparnissen (S), Enthortung und Kreditschöpfung (= Erhöhung der Geldmenge ΔM), die Kreditnachfrage aus der Nachfrage nach Mitteln für Investitionszwecke (I) und dem Horten. [...] Die Nachfragefunktion für ausleihbare Fonds ergibt sich dann als Summe aus der mit sinkendem Zinssatz steigenden Nachfrage nach Mitteln für Investitionen (I) und Nettohorten (ΔL). Eine sich netto ergebende Enthortung wird dann dem Kreditangebot, ein Nettohorten (ΔL) der Kreditnachfrage zugeschlagen. Letzteres soll im folgenden unterstellt werden. Die Angebotsfunktion ist die Summe aus einer zumeist als zinsunelastisch unterstellten Geldmengenerhöhung (ΔM) und der mit dem Zinssatz positiv korrelierten Ersparnisse (S).“
  17. Don Patinkin, Liquidity Preference and Loanable Funds: Stock and Flow Analysis, in: Economica vol. 25, 1958, S. 300–318.
  18. Robert L. Sexton: Exploring Macroeconomics, London 2020, S. 370.