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Paul Schneider (Pfarrer)

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Paul Robert Schneider (* 29. August 1897 in Pferdsfeld, heute zu Bad Sobernheim; † 18. Juli 1939 im KZ Buchenwald bei Weimar) war ein deutscher evangelischer Pfarrer, Mitglied der Bekennenden Kirche und Opfer des Nationalsozialismus. Er wird der "Prediger von Buchenwald" genannt.

Leben

Paul Schneider wurde als zweiter von drei Söhnen am 29. August 1897 in Pferdsfeld auf dem Hunsrück geboren. Sein Vater Gustav-Adolf Schneider, Pfarrer der Reformierten Kirche, hatte 1888 seine Frau Elisabeth geb. Schnorr geheiratet und die Pfarrstelle in Pferdsfeld angetreten. Die ersten 13 Jahre seines Lebens verbrachte Paul in der ländlichen Idylle des Hunsrück, bis sich sein Vater gezwungen sah, wegen zunehmender Arthritis seiner Frau an einen anderen Ort mit vermeintlich trockenerem Klima umzuziehen. Zu Ostern 1910 trat der Vater eine neue Pfarrstelle in Hochelheim/Dornholzhausen an, einer ebenfalls ländlichen Gegend bei Wetzlar in Mittelhessen. Paul ging von dort aufs Gymnasium nach Gießen, allerdings verschlechterte sich der Gesundheitszustand seiner Mutter zunehmend.

Das Jahr 1914 brachte für Paul neben dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges auch den Tod seiner Mutter am 8. September mit sich. Im Juni 1915 absolvierte er das Notabitur und meldete sich anschließend freiwillig. Er kam an die Ostfront, wurde verwundet und mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Nach seiner Genesung wurde er wieder an die Front geschickt, diesmal nach Westen. Hier erlebte und überlebte er u.a. die Schlacht von Verdun. Nach dem Ende des Krieges begann er in Gießen Evangelische Theologie zu studieren. Er trat einer christlichen Studentenverbindung bei, fühlte sich dort aber nicht besonders wohl. Das dritte Semester studierte er in Marburg. Anschließend ging er nach Tübingen, wo die Theologenausbildung noch eher konservativ geprägt war, was Paul entgegenkam. Er zog bei der Pfarrersfamilie Dieterich in Weilheim bei Tübingen als Untermieter ein, später heiratete er dort deren jüngste Tochter, die am 9. Januar 1904 geborene Margarete Dieterich.

Nach erfolgreichem Studium, das auch ein Jahr am Theologischen Seminar in Soest umfasste (Oktober 1922 bis Oktober 1923) und mit dem theologischen Examen endete, ging Paul nach Berlin, um bei der dortigen Stadtmission zu arbeiten. Ende Januar 1925 wurde er in Hochelheim in der Kirche seines Vaters ordiniert und trat in Essen-Altstadt seine erste Anstellung als Hilfspfarrer an. Im Januar 1926 erlitt der Vater während der Predigt in Dornholzhausen einen Schlaganfall und starb drei Tage später. Auf Bitten der heimischen Gemeinden trat Paul nun die Nachfolge seines Vaters in Hochelheim und Dornholzhausen an. Zuvor heiratete er aber am 12. August 1926 in Weilheim seine langjährige Verlobte Margarete (Gretel) Dieterich. Die Trauung vollzog sein Schwiegervater Pfarrer Karl Dieterich, der ein Jahr später ebenfalls nach einem Schlaganfall in der Kirche verstarb.

Die ersten Jahre im Pfarramt von Hochelheim waren geprägt von den alltäglichen Problemen einer ländlichen Gemeinde. Erst Anfang der dreißiger Jahre erreichte die Weltwirtschaftskrise mit ihren Auswirkungen in Deutschland auch die Dörfer Hochelheim und Dornholzhausen. Als eine Folge davon trat nun eine Partei mit Namen NSDAP auf und erhielt immer mehr Anhänger. Auch wenn Paul Schneider am Anfang unschlüssig war, was von diesem Hitler zu halten sei, war ihm spätestens nach der Machtergreifung klar, dass die Ziele der Nazis nicht mit den Aussagen der Bibel in Einklang zu bringen waren, auch wenn dies manche Christen versuchten.

Da bereits im Laufe des Jahres 1933 den Kirchen erste Einschränkungen auferlegt wurden - u.a. sollten die Pfarrer dafür sorgen, dass keine Nichtarier an den Gottesdiensten teilnahmen - gründete man im September 1933 den Pfarrernotbund, der auf der ersten Barmer Bekenntnissynode im Mai 1934 zur Bekennenden Kirche wurde. Gemeinsam wollte man den Einfluss, den die Nationalsozialisten auf die Kirche ausübten, zurückdrängen. Paul Schneider fand sofort seinen Platz in dieser Bewegung. Dabei ist von Anfang an klar gewesen, dass bei ihm auch die Maßstäbe des politischen Handelns ausschließlich vom Evangelium her gesetzt waren. Da er wegen seines "schriftgemäßen Verstandes der Abendmahlsfeier und der ernst zu nehmenden Beichtfrage" im Konflikt mit seinem Presbyterium stand und zudem wegen freimütiger Äußerungen auch dem Druck staatlicher Stellen ausgesetzt war, konnte er schließlich nach Ansicht der Kirchenbehörde nicht länger in Hochelheim bleiben. Er wurde nach Dickenschied im Hunsrück versetzt, wo er von Mai 1934 bis bis zu seinem Tod am 18. Juli 1939 Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinden Dickenschied und Womrath war.

Gedenkstätte Buchenwald, Arrestgebäude ("Bunker")
Gedenkstätte Buchenwald, Einzelzelle Paul Schneiders

Bereits kurz nach Antritt der neuen Pfarrstelle ergab sich der nächste Konflikt zwischen ihm und der NSDAP: Bei der Beerdigung des Hitlerjungen Moog in der Nachbarkirchengemeinde Gemünden sagte der NSDAP-Ortsgruppenleiter, dass der Verstorbene in den himmlischen Sturm Horst Wessel eingegangen sei. Darauf hin äußerte Paul Schneider, ob es einen himmlischen Sturm Horst Wessel gebe, wisse er nicht, aber Gott möge den Jungen segnen und in sein Reich aufnehmen. Dieses Aufeinanderprallen von Staat und Kirche führte drei Tage später zu einer ersten Verhaftung, der noch drei weitere folgen sollten. Nach seiner dritten Verhaftung erteilte der Staat ihm ein Aufenthaltsverbot für die Rheinprovinz, also auch für seine Gemeinden im Hunsrück. Nach seiner Entlassung hielt er sich deswegen zunächst eine Weile im hessischen Eschbach auf. Als er aber von seinen Presbyterien gebeten wurde, zurück zu kommen, machte er sich auf den Weg nach Dickenschied zu seiner Frau und den sechs Kindern. Er hielt am 3. Oktober 1937 den Gottesdienst zum Erntedankfest in Dickenschied. Auf dem Weg zum Gottesdienst in Womrath wurde er verhaftet.

Man brachte ihn zunächst ins Gefängnis der Staatspolizei Koblenz. Am 27. November 1937 wurde Paul Schneider dann nach Weimar ins neu errichtete KZ Buchenwald verlegt, wo er Zwangsarbeit verrichten musste. Im Konzentrationslager wurde er für seine Mitgefangenen zum "Prediger von Buchenwald". Als er bei einem Fahnenappell anlässlich des Führergeburtstages am 20. April 1938 den Hitlergruß verweigerte, seine Mütze nicht abnahm und als Begründung angab: "Dieses Verbrechersymbol grüße ich nicht!", wurde er öffentlich mit Stockschlägen bestraft und in eine Einzelzelle des Arrestgebäudes ("Bunker") gesperrt.

Trotz schwerster Misshandlungen unterließ er es nicht, aus seiner Einzelzelle im Bunker heraus das Evangelium zu verkünden. Damit wusste er nicht nur Christen zu trösten, wie ein jüdischer Häftling noch im Jahr 2000 in dem Film "Ihr Massenmörder - ich klage euch an" bezeugte. Papst Johannes Paul II. würdigte im Rahmen des Märtyrergedenkens am 7. Mai 2000 im Kolosseum zu Rom zwei Zeugen Christi namentlich. Einer davon ist Paul Schneider. Er sagte: "Genauso überzeugt [wie der orthodoxe Metropolit von St. Petersburg Benjamin, 1922 ermordet] bekräftigte der ...[evangelische] Pastor Paul Schneider aus seiner Zelle in Buchenwald gegenüber seinen Aufsehern: 'So spricht der Herr: Ich bin die Auferstehung und das Leben!'."

Über ein Jahr lang wurde Paul Schneider in der Einzelzelle gefangen gehalten und gequält, bis er körperlich nur noch ein Wrack und dem Tode nahe war. Er hätte des KZ auf der Stelle verlassen können, wenn er sich dem Ausweisungsbefehl aus der Rheinprovinz gebeugt hätte, was er aber nicht tat, da er sich seinen Gemeinden in Dickenschied und Womrath verpflichtet fühlte ("Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen"). Er kam auf die Krankenstation, wo man ihm äußerlich ein wenig Pflege zukommen ließ. Am 18. Juli 1939 wurde Paul Schneider dort vermutlich durch eine Überdosis des Herzmedikaments Strophanthin ermordet.

Der geschundene Leichnam des Pfarrers wurde nach Dickenschied überführt. Trotz mehrerer Vorkehrungen seitens der Gestapo fand die Beisetzung unter sehr großer Anteilnahme der Bevölkerung statt. Es kamen Gäste von weit her und auch aus dem benachbarten Ausland angereist, unter ihnen etwa 200 Pfarrer. Katholische Gasthausbetreiber verwiesen Gestapo-Mitarbeiter zu deren Überraschung des Hauses, weil sie an der Beisetzung teilnehmen wollten. "So werden Könige begraben", meinte einer der Gestapomänner angesicht der mehreren hundert Beerdigungsgäste, die seine Aufgabe, die Teilnehmer zu notieren, unmöglich machten.

Dietrich Bonhoeffer sah Paul Schneider als den ersten evangelischen Märtyrer an.

Seine Witwe engagierte sich nach dem Krieg versöhnend in den Dörfern Dickenschied und Womrath, in denen sie bis 1939 und dann wieder ab 1960 bis zu ihrem Tod am 27. Dezember 2002 lebte.

In mehreren deutschen Städten und Gemeinden sind Straßen und christliche Gemeindehäuser und Schulen nach ihm benannt.

Hochelheim bei Wetzlar, evangelische Pfarrkirche
Dickenschied im Hunsrück, evangelische Pfarrkirche
Dickenschied, Grab von Paul und Margarete Schneider
Mondaufgang über Hochelheim


Medien

Filme

  • "Ihr Massenmörder - ich klage euch an" - Pfarrer Paul Schneider (ein für Unterrichtszwecke konzipierter Film)
  • Der Vater und wir. Das Erbe des Paul Schneider (Film)

Beide Filme sind über das Film-Funk-Fernseh-Zentrum der Evangelischen Kirche im Rheinland zu beziehen.

Literatur

  • Albrecht Aichelin: Paul Schneider. Ein radikales Glaubenszeugnis gegen die Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus. Gütersloher Verlagshaus/Kaiser, Gütersloh 1994, ISBN 3-579-01864-7
  • Claude R. Foster: Paul Schneider. Seine Lebensgeschichte. Der Prediger von Buchenwald. Hänssler, Holzgerlingen 2001, ISBN 3-7751-3660-6
  • Folkert Rickers: Widerstehen in schwerer Zeit. Erinnerung an Paul Schneider (1897-1939). Ein Arbeitsbuch für den Religionsunterricht in den Sekundarstufen und für die kirchliche Bildungsarbeit. Verlag des Neukirchener Erziehungsvereins, Neukirchen-Vluyn 1998, ISBN 3-7887-1673-8
  • Margarete Schneider: Paul Schneider. Der Prediger von Buchenwald. Das Martyrium Paul Schneiders. 4. Auflage. Hänssler-Verlag, Neuhausen/Stuttgart 1996, ISBN 3-7751-2274-5
  • Rudolf Wentorf: Paul Schneider. Der Zeuge von Buchenwald. 3. Auflage. Brunnen, Gießen und Basel 1987, ISBN 3-7655-3810-8
  • Rudolf Wentorf: Der Fall des Pfarrers Paul Schneider. Eine biographische Dokumentation. Verlag des Neukirchener Erziehungsvereins, Neukirchen-Vluyn ca. 1989, ISBN 3-7887-1327-5

Weblinks