Autodidakt

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
(Weitergeleitet von Autodidaktik)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Darstellung eines Berner Bauern beim Bibelstudium (Aquarell von Gabriel Lory, Anfang 19. Jhd.)
Junge Menschen beim Spiel auf einem Abenteuerspielplatz (1975)

Ein Autodidakt (altgriechisch αὐτός autos ‚sich selbst‘ und διδάσκειν didaskein ‚lehren‘) ist ein Mensch, der sich eigenständig Wissen oder Fertigkeiten angeeignet hat. Beobachtung, Versuch und Irrtum, Übung oder mediale Begleitung (z. B. Videos, Lektüre) bezeichnen einige Formen der autodidaktischen Aneignung.

Ein gerichteter autodidaktischer Lernprozess wird auch als Selbststudium bezeichnet, in Abgrenzung zum formalisierten Studium an einer Hochschule.

Geschichte und Abgrenzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Autodidakten vermögen, sich ihre Bildung, Fertigkeiten und Techniken in Eigenregie anzueignen. Beispiele hierfür sind der Philosoph Jean-Jacques Rousseau, der Ingenieur Ferdinand Porsche, der US-Präsident Abraham Lincoln wie auch die bekannten Sprachwissenschaftler Jacob und Wilhelm Grimm, ausgebildete Juristen, der Maler William Turner und Nicolo Tartaglia, der sich sein gesamtes Wissen in Mathematik selbst angeeignet hatte.

Zugeschrieben wird der Begriff Autodidakt dem deutschen Philosophen Gottfried Wilhelm Leibniz. Während seiner Tätigkeit als Bibliothekar in der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel beschrieb er sich selbst in einem seiner Werke mit den Worten „erstens, dass ich fast ganz Autodidakt war“. Leibniz wird häufig als letzter Universalgelehrter bezeichnet und eignete sich die meisten seiner umfassenden Kenntnisse autodidaktisch an.

Seit sich im Laufe des 19. Jahrhunderts in Mitteleuropa die allgemeine Schulpflicht durchsetzte, nahm die Zahl der Menschen ab, die zwangsweise zum Autodidakten wurden, wenn sie sich bilden wollten. Auch wissbegierige, aber mittellose Personen und Frauen, denen seinerzeit der Zugang zu Gymnasium und Universität weitgehend verschlossen blieb, fanden als ernsthafte Autodidakten mitunter Anerkennung in Fachkreisen. Ein Beispiel dafür ist die Engländerin Mary Anning, die sich von einer armen, ungebildeten Fossilien­sammlerin zu einer der bedeutendsten Paläontologinnen des 19. Jahrhunderts entwickelte.

In Berufsfeldern, bei denen der Besuch eines Fachinstitutes weder die Regel noch zwingend vorgeschrieben ist, wie z. B. Schachspieler, Sportler, Künstler, wie Popmusiker, Rock-Gitarristen, Maler, Journalisten, Schauspieler oder Autoren belletristischer Literatur (reine Unterhaltungsliteratur), spricht man nicht von Autodidakten. Auch Akademiker, die ihr Studium abbrechen und infolge eigener Weiterbildung doch noch auf ihrem Gebiet erfolgreich werden, sind streng genommen keine Autodidakten, ebenso wenig Personen, die durch Privatlehrer ausgebildet wurden.

Personen, die mit geringen Mitteln oder aus dem Nichts und aus eigener Kraft zu wirtschaftlichem Erfolg kommen (wobei die Bildung keine Rolle spielt), nennt man dagegen Aufsteiger oder Self-made men.

Leistungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bilder mit dem Titel „Man on White, Woman on Red“ und „Man with Black Dog“ von Bill Traylor aus den Jahren 1939–1942.
Man on White, Woman on Red / Man with Black Dog. Bill Traylor, 1939–1942.

Autodidakten vollbringen mitunter beachtliche bis herausragende Leistungen, heute vor allem im Bereich der Kunst und der Fremdsprachen. Ein besonders ungewöhnlicher Autodidakt war der afroamerikanische Zeichner Bill Traylor, ein ehemaliger Sklave, der mit über 80 Jahren anfing zu zeichnen und weltberühmt wurde. Traylor gilt mittlerweile als einer der bedeutendsten US-amerikanischen Künstler des 20. Jahrhunderts.[1]

Ein anderes Beispiel ist der 1887 geborene S. Ramanujan, der sich schon früh als mathematisch begabt erwies. Sein begonnenes Studium konnte er nicht fortsetzen, da er aufgrund der Vernachlässigung der Pflichtfächer Englisch und Sanskrit sein Stipendium verlor. Seine mathematischen Kenntnisse eignete er sich autodidaktisch aus Fachliteratur an und besaß eine außerordentliche Begabung dafür, analytische und zahlentheoretische Probleme intuitiv zu lösen, meist ohne zunächst einen Lösungsweg oder Beweise angeben zu können. Versuche einer wissenschaftlichen Anerkennung blieben zunächst ohne Erfolg, bis der britische Mathematiker Godfrey Harold Hardy im Jahr 1913 sein Talent erkannte und ihn nach England holte. Dort gelangen ihm zahlreiche bedeutende Entdeckungen. Sechs Jahre später kehrte Ramanujan als bekannter Wissenschaftler nach Indien zurück und starb 1920 im Alter von nur 32 Jahren.[2]

Bekannte Autodidakten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Hochschulstudium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mit Elternhausförderung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ohne abgeschlossenes Studium[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Autodidakten als Thema im Spielfilm[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gefangene von Alcatraz (1962), Regie von John Frankenheimer: Ein lebenslang Einsitzender, Robert Stroud, der in der Einzelhaft Singvögel halten darf, reift durch Beobachtung, Lektüre und jahrelanges Experimentieren zum weltweit anerkannten Ornithologen und Fachbuchautor.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Holger Böning; Iwan-Michelangelo D’Aprile; Hanno Schmitt; Reinhart Siegert (Hrsg.): Selbstlesen, Selbstdenken, Selbstschreiben. Prozesse der Selbstbildung von „Autodidakten“ unter dem Einfluss von Aufklärung und Volksaufklärung vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Bremen 2015.
  • Heinrich Bosse: Die Stunde der Autodidakten. Deutsche Sprache und Literatur an der Universität Freiburg im 18. Jahrhundert. In: Zwischen Josephinismus und Frühliberalismus. Literarisches Leben in Südbaden um 1800. Hrsg. von Achim Aurnhammer. Rombach, Freiburg im Breisgau 2002 (= Literarisches Leben im deutschen Südwesten von der Aufklärung bis zur Moderne, Bd. 1), ISBN 3-7930-9284-4, S. 571–592.
  • Otto Luschnat: Autodidaktos. Eine Begriffsgeschichte. In: Theologia viatorum 8 (1962), S. 157–172.
  • Hans Rudolf Velten: Die Autodidakten. Zum Aufkommen eines wissenschaftlichen Diskurses über Intellektuelle gegen Ende des 17. Jahrhunderts. In: Intellektuelle in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Jutta Held. Fink, München 2002, ISBN 3-7705-3731-9, S. 55–81.
  • Albert Wittstock (Hrsg.): Autodidakten-Lexikon. Lebensskizzen derjenigen Personen aller Zeiten und Völker, welche auf aussergewöhnlichem Bildungs- und Entwicklungsgange sich zu einer hervorragenden Bedeutung in Kunst und Wissenschaft emporgearbeitet haben. A. Mentzel, Leipzig 1875.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Autodidakt – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wiktionary: Selbststudium – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bill Traylor: Smithsonian American Art Museum. Abgerufen am 28. April 2023.
  2. Srinivasa Ramanujan. Abgerufen am 2. Mai 2023.
  3. Klaus Malettke: Die Bourbonen 2: Von Ludwig XV. bis Ludwig XVI. (1715–1792). Band 2, Kohlhammer, Stuttgart 2008, S. 81 [1]