„Sola fide“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[gesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
K Änderungen von 92.50.115.99 (Diskussion) auf die letzte Version von Logograph zurückgesetzt
rv
Markierung: Manuelle Zurücksetzung
 
(40 dazwischenliegende Versionen von 27 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
Der Ausdruck '''sola fide''' (lat.: „allein durch Glauben“, „allein aus Glauben“) bezeichnet ein Grundelement der reformatorischen [[Rechtfertigung (Theologie)|Lehre von der Rechtfertigung]] und ist ein theologischer Grundsatz der Kirchen, die aus der [[Reformation]] hervorgegangen sind. Er drückt die Überzeugung aus, dass der Mensch allein durch seinen Glauben das ewige Leben erlangt.<ref>[[Wilfried Joest]]: ''Dogmatik.'' Band 2: ''Der Weg Gottes mit dem Menschen'' (= ''UTB für Wissenschaft. Uni-Taschenbücher'' 1413). 2., durchgesehene Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1990, ISBN 3-525-03264-1, S. 439.</ref> „Sola fide“ findet sich aber schon vorreformatorisch, etwa bei [[Thomas von Aquin]].<ref>[[Horst Georg Pöhlmann]], in: ''Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde.'' Band 3: ''O–Z.'' Brockhaus, Wuppertal u.&nbsp;a. 1994, ISBN 3-417-24643-1, S.&nbsp;1855.</ref>
{{DISPLAYTITLE:sola fide}}
[[Datei:Luthers Rechtfertigungslehre n. P. Blickle.PNG|mini|hochkant=1.2|Schematische Darstellung zu [[Rechtfertigung (Theologie)#Rechtfertigung und Reformation|Luthers Rechtfertigungslehre]], modifiziert nach [[Peter Blickle (Historiker)|P. Blickle]] (1992)<ref>[[Peter Blickle (Historiker)|Peter Blickle]]: ''Die Reformation im Reich.'' 2. Aufl., UTB 1181, Eugen Ulmer, Stuttgart 1992, ISBN 3-8001-2626-5, S.&nbsp;44</ref>]]
Der Ausdruck '''sola fide''' (lat.: „allein durch Glauben“, „allein aus Glauben“) bezeichnet ein Grundelement der reformatorischen [[Rechtfertigung (Theologie)|Lehre von der Rechtfertigung]] und ist ein theologischer Grundsatz der Kirchen, die aus der [[Reformation]] hervorgegangen sind. Er drückt die Überzeugung aus, dass der Mensch allein durch seinen Glauben das ewige Leben erlangt.<ref>[[Wilfried Joest]]: ''Dogmatik.'' Band 2: ''Der Weg Gottes mit dem Menschen'' (= ''UTB für Wissenschaft. Uni-Taschenbücher'' 1413). 2., durchgesehene Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1990, ISBN 3-525-03264-1, S. 439.</ref> „Sola fide“ findet sich aber schon vorreformatorisch, etwa bei [[Thomas von Aquin]].<ref>[[Horst Georg Pöhlmann]], in: ''Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde.'' Band 3: ''O–Z.'' Brockhaus, Wuppertal u. a. 1994, ISBN 3-417-24643-1, S. 1855.</ref>


== Bedeutung ==
== Bedeutung ==
Er drückt die Überzeugung aus, dass der Mensch sich die von Gott geforderte Gerechtigkeit nicht durch gute Werke erarbeiten bzw. verdienen kann, sondern dass er allein durch den [[Glauben]] an das [[Versöhnung|Versöhnungswerk]] Christi gerechtgesprochen und dadurch gerettet wird. Durch diesen Glauben empfängt der Mensch den Heiligen Geist {{Bibel|Gal|3|2.5|LUT}}.
Er drückt die Überzeugung aus, dass der Mensch nicht durch [[gute Werke]] vor Gott gerecht werden kann, sondern dass er allein durch den [[Glaube (Religion)|Glauben]] an das [[Versöhnung]]swerk Christi gerechtgesprochen und dadurch gerettet wird. Durch diesen Glauben empfängt der Mensch den Heiligen Geist {{Bibel|Gal|3|2.5|LUT}}.


Es ist dem Menschen nach [[lutherisch]]er Auffassung nicht möglich, sich aus eigenen Stücken für den Glauben an Christus zu entscheiden, da der Glaube allein durch Gottes Gnade ([[sola gratia]]) zustande kommt bzw. durch das ihn erreichende Wort Gottes (solus Christus) überhaupt erst geweckt wird. Damit ist eine autonome Glaubensentscheidung, also ein Akt des [[Freier Wille|freien Willens]] seitens des Menschen für Luther völlig undenkbar: In Bezug auf sein Gottesverhältnis und somit sein Heil ist der Mensch [[De servo arbitrio|geknechtet]].
Es ist dem Menschen nach [[lutherisch]]er Auffassung nicht möglich, sich aus eigenen Stücken für den Glauben an Christus zu entscheiden, da der Glaube allein durch Gottes Gnade ([[sola gratia]]) zustande kommt bzw. durch das ihn erreichende Wort Gottes (solus Christus) überhaupt erst geweckt wird. Damit ist eine autonome Glaubensentscheidung, also ein Akt des [[Freier Wille|freien Willens]] seitens des Menschen für Luther völlig undenkbar: In Bezug auf sein Gottesverhältnis und somit sein Heil ist der Mensch [[De servo arbitrio|geknechtet]].


== Biblische Grundlage ==
== Biblische Grundlage ==
[[File:Romans 3 in September Testament.JPG|thumb|Römer 3 in [[Martin Luther]]s [[Septembertestament]] 1522]]
[[Datei:Romans 3 in September Testament.JPG|mini|Römer 3 in [[Martin Luther]]s [[Septembertestament]] 1522]]
Die wichtigste biblische Grundlage für diesen Gedanken sah der [[Reformator]] [[Martin Luther]] im Brief des Apostels [[Paulus von Tarsus|Paulus]] an die Römer {{Bibel|Röm|3|21–28|LUT}} gegeben. Allerdings kommt im griechischen Urtext von Röm 3,28 das Wort „allein“ nicht vor.<ref>Vgl. http://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/novum-testamentum-graece-na-27</ref> Es wurde von Luther hinzugefügt, um der von ihm bekämpften [[Werkgerechtigkeit]] zu widersprechen. Die Zufügung ist bis heute in der [[Lutherbibel]] beibehalten worden. Die meisten Bibelübersetzungen schreiben an dieser Stelle urtextgetreuer, „dass der Mensch ''durch Glauben'' gerechtfertigt“ werde, so etwa die [[Vulgata]].<ref>„… iustificari hominem per fidem sine operibus legis“. {{Bibel|Röm|3|28|VUL}}</ref> Luthers Verdeutlichung bzw. Korrektur bringt Römer 3,28 sowohl in Spannung mit Paulus’ Aussage im [[Galaterbrief|Brief an die Galater]], dass bei Jesus Christus ein Glaube zählt, „der durch die Liebe tätig ist“ {{Bibel|Gal|5|6|LUT}}, als auch in einen Widerspruch mit jener des [[Jakobusbrief]]es: „So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, ''nicht durch Glauben allein''“ ({{B|Jak|2|24|LUT}}, Lutherbibel). Besonders im [[Calvinismus]] wird die lutherische „Alleinwirksamkeit“ des Glaubens mit Verweis auf die Wichtigkeit der [[Heiligung]] (Umwandlung der Lebensführung) kritisch gesehen.
Die wichtigste biblische Grundlage für diesen Gedanken sah der [[Reformator]] [[Martin Luther]] im Brief des Apostels [[Paulus von Tarsus|Paulus]] an die Römer {{Bibel|Röm|3|21–28|LUT}} gegeben. Allerdings kommt im griechischen Urtext von Röm 3,28 das Wort „allein“ nicht vor.<ref>Vgl. [https://www.bibelwissenschaft.de/online-bibeln/novum-testamentum-graece-na-28/lesen-im-bibeltext/bibel/text/lesen/?tx_buhbibelmodul_bibletext%5Bscripture%5D=r%C3%B6m+3%2C28 Römer 3,28] in [[Novum Testamentum Graece|Nestle-Aland]], 28. Auflage; abgerufen am 8. Januar 2018 ([[Koine|griechisch]]).</ref> Es wurde von Luther nach eigenen Worten hinzugefügt, um den Eigenheiten der deutschen Sprache gerecht zu werden. Diese Zufügung ist bis heute in der [[Lutherbibel]] beibehalten worden. Moderne Bibelübersetzungen schreiben an dieser Stelle, „dass der Mensch ''durch Glauben'' gerechtfertigt“ werde, wie auch die [[Vulgata]].<ref>„… iustificari hominem per fidem sine operibus legis“. {{Bibel|Röm|3|28|VUL}}</ref> Besonders im [[Calvinismus]] wird die lutherische „Alleinwirksamkeit“ des Glaubens mit Verweis auf die Wichtigkeit der [[Heiligung (Protestantismus)|Heiligung]] kritisch gesehen.


== Verhältnis zu den anderen „Soli“ ==
== Verhältnis zu den anderen „Soli“ ==
Das „sola fide“ bezeichnet das Vertrauen des Menschen in die göttliche Gnade. „Sola fide“ und „[[sola gratia]]“ bezeichnen die menschliche und die göttliche Seite des Heilswirkens Gottes: Die Aneignung der göttlichen Gnade geschieht „sola fide“ seitens des Menschen, die Zueignung der Gnade geschieht „sola gratia“ von Seiten Gottes. Da der Glaube ein von Gott gewirktes Geschenk (eine Gnadenwirkung) ist, kann „das sola fide&nbsp;… auch als sola gratia expliziert werden“ ([[Friedrich Wilhelm Graf|F.W. Graf]]).<ref>[[Friedrich Wilhelm Graf]]: ''Der Protestantismus.'' In: [[Hans Joas]], Klaus Wiegandt (Hrsg.): ''Säkularisierung und die Weltreligionen'' (= ''Fischer'' 17647). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17647-2, S.&nbsp;91.</ref>
Das „sola fide“ bezeichnet das Vertrauen des Menschen in die göttliche Gnade. „Sola fide“ und „[[sola gratia]]“ bezeichnen die menschliche und die göttliche Seite des Heilswirkens Gottes: Die Aneignung der göttlichen Gnade geschieht „sola fide“ seitens des Menschen, die Zueignung der Gnade geschieht „sola gratia“ von Seiten Gottes. Da der Glaube ein von Gott gewirktes Geschenk (eine Gnadenwirkung) ist, kann „das sola fide&nbsp;… auch als sola gratia expliziert werden“ ([[Friedrich Wilhelm Graf]]).<ref>[[Friedrich Wilhelm Graf]]: ''Der Protestantismus.'' In: [[Hans Joas]], Klaus Wiegandt (Hrsg.): ''Säkularisierung und die Weltreligionen'' (= ''Fischer'' 17647). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17647-2, S.&nbsp;91.</ref>


Mit dem „sola fide“ bzw. „sola gratia“ verknüpft sind die Grundsätze des „[[solus Christus]]“ und der „[[sola scriptura]]“.
Mit dem „sola fide“ bzw. „sola gratia“ verknüpft sind die Grundsätze des „[[solus Christus]]“ und des „[[sola scriptura]]“.


== Anmerkungen ==
== Anmerkungen ==
<references/>
<references/>


{{Navigationsleiste 4 Grundsätze der Reformation}}
{{Navigationsleiste Grundsätze der Reformation}}


[[Kategorie:Evangelische Theologie]]
[[Kategorie:Evangelische Theologie]]

Aktuelle Version vom 28. August 2023, 10:27 Uhr

Der Ausdruck sola fide (lat.: „allein durch Glauben“, „allein aus Glauben“) bezeichnet ein Grundelement der reformatorischen Lehre von der Rechtfertigung und ist ein theologischer Grundsatz der Kirchen, die aus der Reformation hervorgegangen sind. Er drückt die Überzeugung aus, dass der Mensch allein durch seinen Glauben das ewige Leben erlangt.[1] „Sola fide“ findet sich aber schon vorreformatorisch, etwa bei Thomas von Aquin.[2]

Schematische Darstellung zu Luthers Rechtfertigungslehre, modifiziert nach P. Blickle (1992)[3]

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Er drückt die Überzeugung aus, dass der Mensch nicht durch gute Werke vor Gott gerecht werden kann, sondern dass er allein durch den Glauben an das Versöhnungswerk Christi gerechtgesprochen und dadurch gerettet wird. Durch diesen Glauben empfängt der Mensch den Heiligen Geist (Gal 3,2.5 LUT).

Es ist dem Menschen nach lutherischer Auffassung nicht möglich, sich aus eigenen Stücken für den Glauben an Christus zu entscheiden, da der Glaube allein durch Gottes Gnade (sola gratia) zustande kommt bzw. durch das ihn erreichende Wort Gottes (solus Christus) überhaupt erst geweckt wird. Damit ist eine autonome Glaubensentscheidung, also ein Akt des freien Willens seitens des Menschen für Luther völlig undenkbar: In Bezug auf sein Gottesverhältnis und somit sein Heil ist der Mensch geknechtet.

Biblische Grundlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Römer 3 in Martin Luthers Septembertestament 1522

Die wichtigste biblische Grundlage für diesen Gedanken sah der Reformator Martin Luther im Brief des Apostels Paulus an die Römer (Röm 3,21–28 LUT) gegeben. Allerdings kommt im griechischen Urtext von Röm 3,28 das Wort „allein“ nicht vor.[4] Es wurde von Luther nach eigenen Worten hinzugefügt, um den Eigenheiten der deutschen Sprache gerecht zu werden. Diese Zufügung ist bis heute in der Lutherbibel beibehalten worden. Moderne Bibelübersetzungen schreiben an dieser Stelle, „dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt“ werde, wie auch die Vulgata.[5] Besonders im Calvinismus wird die lutherische „Alleinwirksamkeit“ des Glaubens mit Verweis auf die Wichtigkeit der Heiligung kritisch gesehen.

Verhältnis zu den anderen „Soli“[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das „sola fide“ bezeichnet das Vertrauen des Menschen in die göttliche Gnade. „Sola fide“ und „sola gratia“ bezeichnen die menschliche und die göttliche Seite des Heilswirkens Gottes: Die Aneignung der göttlichen Gnade geschieht „sola fide“ seitens des Menschen, die Zueignung der Gnade geschieht „sola gratia“ von Seiten Gottes. Da der Glaube ein von Gott gewirktes Geschenk (eine Gnadenwirkung) ist, kann „das sola fide … auch als sola gratia expliziert werden“ (Friedrich Wilhelm Graf).[6]

Mit dem „sola fide“ bzw. „sola gratia“ verknüpft sind die Grundsätze des „solus Christus“ und des „sola scriptura“.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Wilfried Joest: Dogmatik. Band 2: Der Weg Gottes mit dem Menschen (= UTB für Wissenschaft. Uni-Taschenbücher 1413). 2., durchgesehene Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1990, ISBN 3-525-03264-1, S. 439.
  2. Horst Georg Pöhlmann, in: Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde. Band 3: O–Z. Brockhaus, Wuppertal u. a. 1994, ISBN 3-417-24643-1, S. 1855.
  3. Peter Blickle: Die Reformation im Reich. 2. Aufl., UTB 1181, Eugen Ulmer, Stuttgart 1992, ISBN 3-8001-2626-5, S. 44
  4. Vgl. Römer 3,28 in Nestle-Aland, 28. Auflage; abgerufen am 8. Januar 2018 (griechisch).
  5. „… iustificari hominem per fidem sine operibus legis“. (Röm 3,28 VUL)
  6. Friedrich Wilhelm Graf: Der Protestantismus. In: Hans Joas, Klaus Wiegandt (Hrsg.): Säkularisierung und die Weltreligionen (= Fischer 17647). Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-596-17647-2, S. 91.