Laienkelch

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Als Laienkelch wird die Darreichung des konsekrierten eucharistischen Weines an Laien bezeichnet. Dies wurde zum Thema, nachdem eine Sonderentwicklung der lateinischen Westkirche dazu geführt hatten, dass den Laien nur noch die konsekrierte Hostie ausgeteilt wurde. Die Scholastik legitimierte diese Praxis durch die Lehre von der Konkomitanz. Sowohl für die Hussitische Bewegung als auch für die Reformation war die Austeilung von brot und Wein an alle Kommunikanten eine Zentralforderung.

Der Begriff „Laienkelch“ ist in der Systematischen Theologie und der Kirchengeschichte üblich. Die moderne römisch-katholische Liturgiewissenschaft behandelt die vom Zweiten Vatikanischen Konzil neu geschaffene Möglichkeit des Laienkelchs unter dem Stichwort „Kelchkommunion.“

Alte Kirche

Die Kommunion erfolgte in der christlichen Eucharistiefeier ursprünglich durch den Empfang des gebrochenen Brotes und des in einem Becher (Kelch) dargereichten Weines. Leo der Große kritisierte die Manichäer, weil sie bei der Kommunion den Kelch nicht nehmen wollten. Gelasius I. hielt es für erforderlich, sowohl Brot als auch Wein bei der Kommunion zu empfangen. Schon in der Spätantike konnte allerdings bei der Kommunion in besonderen Situationen auf den Wein verzichtet werden, beispielsweise auf Reisen, bei der Krankenkommunion oder während einer Christenverfolgung.[1]

Mittelalter

Westkirchliche Sonderentwicklung

Die Praxis der Austeilung von Brot und Wein bei der eucharistischen Feier änderte sich im Verlauf des 13. Jahrhunderts in der lateinischen Westkirche. Offenbar wirkten verschiedene Motive zusammen:[1]

  • Mangel an Wein in einigen europäischen Ländern;
  • Angst vor dem Verschütten des konsekrierten Weins;
  • Abneigung einiger Laien gegen den gemeinsamen Kelch;
  • Seuchengefahr.

Thomas von Aquin kannte die daraus folgende Praxis, den Laien nur noch Hostien auszuteilen, als weit verbreiteten Brauch, der aber nicht verbindlich war:[1] „Da nun die Menge des christlichen Volkes gewachsen ist und in ihr enthalten sind Greise und junge Leute und Kinder, so kann leicht die nötige Vorsicht beim Nehmen beiseite gelassen werden; und deshalb ist mit gutem Rechte in manchen Kirchen es vorgeschrieben (est multarum ecclesiarum usus), daß nur die Gestalt des Brotes den Gläubigen gereicht wird und der Priester allein das Sakrament unter beiden Gestalten, Leib und Blut, nimmt.“[2]

Der Klerus suchte die Kelchkommunion der Laien mehr und mehr zu vermeiden, weil deren Andrang an den inzwischen nur wenigen Kommuniontagen des Jahres lebhaft und damit die Gefahr versehentlichen Verschüttens gegeben war. Statt des konsekrierten Weines gaben die Priester den Laien vielerorts Ablutionswein zu trinken, also gewöhnlichen Wein, den man nach dem Kommunionempfang zur schützenden Bedeckung der heiligen Gestalten zu trinken pflegte, damit keine Partikel der Hostie in den Mund zurückgelangten. Scholastische Theologen begründeten diese Praxis durch die Lehre von der Konkomitanz, nach der Christus in jeder der beiden Gestalten von Brot und Wein ganz gegenwärtig sei und empfangen werde. So wurde das Trinken aus dem Kelch im abendländischen Spätmittelalter zunehmend als Vorrecht der zelebrierenden Priester empfunden, das sie besonders augenfällig von den Laien unterschied. Alle Kleriker bis hinauf zum Subdiakon sowie alle bei der Feier nicht persönlich amtierenden Diakone und Priester erhielten den Kelch ebenfalls nicht.

Hussitische Bewegung

Der alte Brauch des Laienkelchs hielt sich regional länger; dies scheint besonders für Böhmen kennzeichnend gewesen zu sein.[1] In der frühen hussitischen Bewegung führte die Kritik an den herrschenden kirchlichen Gebräuchen auch zur Forderung nach Spendung der Kommunion unter beiderlei Gestalt (communio sub utraque specie). Jakobellus von Mies erklärte 1414 den Laienkelch mit Berufung auf Joh 6 für notwendig. Er begann an der St.-Michaels-Kirche in der Prager Altstadt mit der Austeilung des Laienkelches und trat auf dem Konzil von Konstanz für diese Praxis ein. Jan Hus stimmte grundsätzlich zu, hielt diese Frage aber für weniger zentral. Das Konzil erklärte die Spendung der Eucharistie unter einer Gestalt am 14. Juni 1415 zum Gesetz und verbot den Laienkelch.[1] Nachdem Hus während des Konzils hingerichtet worden war, wurde der Laienkelch zu einem einigenden Symbol der hussitischen Bewegung. An sämtlichen Prager Pfarrkirchen wurde die Kelchkommunion eingeführt, und die Vier Prager Artikel von 1420 forderten, dass in allen Abendmahlsfeiern den Gläubigen Brot und Wein zu reichen seien. Die als Kalixtiner oder Utraquisten bekannten gemäßigten Hussiten erreichten 1433 durch die vom Konzil von Basel bestätigten Prager Kompaktaten die offizielle Anerkennung dieser Forderung. Papst Pius II. hob 1462 die Kompaktaten wieder auf, weil in Böhmen keine politische Beruhigung eingetreten war.[1] Die Kompaktaten blieben die Grundlage für die rechtliche Anerkennung der altutraquistischen Kirche, der bis zum Restitutionsedikt 1629 die Mehrheit der Böhmen angehörte.[3]

Frühe Neuzeit

Wittenberger Reformation

Martin Luther äußerte 1519 im Sermon von dem hochwürdigen Sakrament des heiligen wahren Leichnams Christi und von den Bruderschaften die Hoffnung, dass ein künftiges Konzil die Austeilung von Brot und Wein an die Kommunikanten wieder gestatten würde, nicht weil es notwendig sei, beim Abendmahl Brot und Wein zu empfangen, sondern wegen der Fülle des Zeichens („Sondern dass es zimlich und feyn were, szo des sacraments gestalt und forme odder zeychen nit stucklich eyns teyls, sondern gantz geben wurden“).[4] In Leipzig wurde Luthers Sermon als fast hussitisch wahrgenommen und löste eine Reihe von Entgegnungen aus. Der Leipziger Franziskaner Augustin von Alveldt brachte 1520 in einer Gegenschrift folgende mit exegetische und dogmatische Argumente gegen den Laienkelch vor: Christus habe die Art der Sakramentenspendung der Kirche überlassen, sie sei eine Frage der kirchlichen Disziplin. Den Emmausjüngern habe Christus nur das Brot ausgeteilt, und in der Apostelgeschichte werde die Eucharistie als Brotbrechen bezeichnet. Wenn Christus beim Letzten Abendmahl den Aposteln den Kelch mit den Worten „Trinket alle daraus“ reichte (Mt 26,27 LUT), so habe er sie damit zu Priestern bestellt. Joh 6,53–54 LUT handle nicht vom Empfang der Eucharistie, sondern von der geistigen Vereinigung mit Christus im Glauben.[5]

1521 leitete Karlstadt in Wittenberg Abendmahlsgottesdienste, bei denen Brot (Hostien) und Wein an alle Kommunikanten ausgeteilt wurden. Seitdem war der Laienkelch beim Abendmahl ein Hauptanliegen und Kennzeichen der reformatorischen Bewegungen. Darin drückte sich ein von der Tradition abweichendes Verständnis der biblischen Aufforderung Christi „Trinket alle daraus“ aus. Die westkirchliche Tradition nahm an, Christus habe diese Aufforderung nur an die Jünger gerichtet und sie mit diesen Worten zu Priestern geweiht.[6] Die Reformatoren interpretierten 1 Kor 11,23–26 LUT so, dass in der urchristlichen Eucharistiefeier Brot und Wein an alle Mahlteilnehmer gereicht worden seien. Beim Augsburger Reichstag von 1530 fanden Verhandlungen zwischen dem päpstlichen Legaten Lorenzo Campeggi und Philipp Melanchthon als führendem protestantischem Theologen statt; darin bot Melanchthon an, die Protestanten würen die Jurisdiktion der Bischöfe anerkennen, wenn ihnen Laienkelch und Priesterehe sowie eine Heiratserlaubnis für Ordensleute gestattet würden; dies seien bereits durchgeführte Reformen, die man nicht mehr zurücknehmen könne. Campeggi leitete diese Information nach Rom weiter, wo Papst Clemens VII. nicht zur Freigabe des Laienkelchs bereit war. Da aber die Verhinderung eines Konzils für ihn Priorität hatte und Kaiser Karl V. diese Fragen auf einem künftigen Konzil klären wollte, schrieb der päpstliche Sekretär Jacopo Salviati dem Legaten Campeggi, ein Zugeständnis bei Laienkelch und Priesterehe sei möglich. Das wäre aber eine Vereinbarung zwischen dem Kaiser und den evangelischen Reichsständen gewesen, in die die Kurie nicht eingebunden war; es hätte der Kurie freigestanden, zu gegebener Zeit diese Abweichungen zu „bemerken“ und ihre Rücknahme zu fordern.[7]

Das Augsburger Interim von 1548 gestand den Protestanten, bis zur Entscheidung des bereits tagenden Konzils, neben dem Bestandsschutz für Priesterehen die Kelchkommunion zu.

Katholische Reform

Das Konzil von Trient verabschiedete erst in seiner dritten Tagungsperiode 1562 ein Dekret, wonach der Empfang der Eucharistie unter einer Gestalt für das Heil ausreichend sei und die Kirche die Vollmacht habe, den Laien die Kelchkommunion zu versagen. Wie schon in Konstanz wurde jedoch die Möglichkeit einer Erlaubnis zur Darreichung unter beiden Gestalten weiterhin nicht grundsätzlich ausgeschlossen, sondern in einem späteren Beschluss dem Papst überlassen. Pius IV. erließ darauf 1564 ein Indult für einige deutschsprachige Kirchenprovinzen, das jedoch kaum zum Tragen kam, weil mittlerweile die Kelchkommunion von der katholischen Bevölkerung selbst weitgehend abgelehnt wurde.[8] Bis weit in die Neuzeit blieb sie aber ein Privileg der römisch-deutschen Kaiser und der französischen Könige. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die Kelchkommunion der Gläubigen bei katholischen Messfeiern erwünscht.

Literatur

  • Klaus Ganzer: Laienkelch I. Historisch-theologisch. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 6. Herder, Freiburg im Breisgau 1997, Sp. 600 f.
  • Eugène Honnée: Die theologische Diskussion über den Laienkelch auf dem Augsburger Reichstag 1530. In: Nederlands archief voor kerkgeschiedenis 53 (1972), S. 1-96.

Weblinks

Anmerkungen

  1. a b c d e f Klaus Ganzer: Laienkelch I. Historisch-theologisch. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 6. Herder, Freiburg im Breisgau 1997, Sp. 600 f.
  2. Summa theologica, III, 80, 12. (Online: BKV)
  3. Marcus Wüst: Utraquisten. In: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, abgerufen am 12. November 2010.
  4. Weimarer Ausgabe, Band 2, S. 742. (Online)
  5. Erwin IserlohAbendmahl III/3.2. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 1, de Gruyter, Berlin / New York 1977, ISBN 3-11-006944-X, S. 123–124.
  6. Helmut Hoping: Mein Leib für euch gegeben. Geschichte und Theologie der Eucharistie. Herder, 2. erw. Auflage Freiburg im Breisgau 2015, S. 243 f.
  7. Gerhard Müller: Kardinal Lorenzo Campeggio, die römische Kurie und der Augsburger Reichstag von 1530. In: Nederlands archief voor kerkgeschiedenis 53 (1972), S. 133–152.
  8. Erwin Iserloh: Abendmahl III/3.2. In: Theologische Realenzyklopädie (TRE). Band 1, de Gruyter, Berlin / New York 1977, ISBN 3-11-006944-X, S. 128.