„Dandy“ – Versionsunterschied

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Der englische Begriff '''Dandy''' kam Mitte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts auf und bezeichnet nach [[Friedrich Kluge]]s etymologischem Wörterbuch „junge Leute, die in auffälliger Bekleidung Kirche oder Jahrmarkt besuchen“. Die [[Dichotomie]] von Sich-Zeigen und Beachtung-Erwirken ist dieser Art [[Rollenspiel (Spiel)|Rollenspiel]]-Inszenierung immanent.
Der englische Begriff '''Dandy''' kam Mitte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts auf und bezeichnet nach [[Friedrich Kluge]]s etymologischem Wörterbuch „junge Leute, die in auffälliger Bekleidung Kirche oder Jahrmarkt besuchen“. Die [[Dichotomie]] von Sich-Zeigen und Beachtung-Erwirken ist dieser Art [[Rollenspiel (Spiel)|Rollenspiel]]-Inszenierung immanent. Der Dandy legt Wert darauf, durch auffällige oder ungewöhnliche Kleidung die eigene Individualität hervorzuheben. Er begreift dies als Teil der [[Nonverbale Kommunikation|nonverbalen Kommunikation]] mit seiner sozialen Umgebung.


Berühmte Vertreter waren [[Beau Brummell]], [[Beau Nash]], [[Charles Baudelaire]], [[Alfred d’Orsay]], [[George Gordon Byron|Lord Byron]], [[Giacomo Casanova]], der Fürst [[Hermann von Pückler-Muskau]], [[Benjamin Disraeli]], später auch die Vertreter des [[Ästhetizismus]] wie [[Oscar Wilde]], [[Aubrey Beardsley]], [[James McNeill Whistler]] und [[Max Beerbohm]]. Einer der bekanntesten Dandys des 20. Jahrhunderts war der Prince of Wales (kurzzeitig König [[Eduard VIII.]]), späterer Herzog von Windsor. Auch der US-amerikanische Schriftsteller [[Tom Wolfe]] trat mit seinen typischen weißen Anzügen als moderner Dandy auf.
Berühmte Vertreter waren [[Beau Brummell]], [[Beau Nash]], [[Charles Baudelaire]], [[Alfred d’Orsay]], [[George Gordon Byron|Lord Byron]], [[Giacomo Casanova]], der Fürst [[Hermann von Pückler-Muskau]], [[Benjamin Disraeli]], später auch die Vertreter des [[Ästhetizismus]] wie [[Oscar Wilde]], [[Aubrey Beardsley]], [[James McNeill Whistler]] und [[Max Beerbohm]]. Einer der bekanntesten Dandys des 20. Jahrhunderts war der Prince of Wales (kurzzeitig König [[Eduard VIII.]]), späterer Herzog von Windsor. Auch der US-amerikanische Schriftsteller [[Tom Wolfe]] trat mit seinen typischen weißen Anzügen als moderner Dandy auf.

Version vom 15. Januar 2023, 13:37 Uhr

George Bryan Brummell,
genannt Beau Brummell

Der englische Begriff Dandy kam Mitte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts auf und bezeichnet nach Friedrich Kluges etymologischem Wörterbuch „junge Leute, die in auffälliger Bekleidung Kirche oder Jahrmarkt besuchen“. Die Dichotomie von Sich-Zeigen und Beachtung-Erwirken ist dieser Art Rollenspiel-Inszenierung immanent. Der Dandy legt Wert darauf, durch auffällige oder ungewöhnliche Kleidung die eigene Individualität hervorzuheben. Er begreift dies als Teil der nonverbalen Kommunikation mit seiner sozialen Umgebung.

Berühmte Vertreter waren Beau Brummell, Beau Nash, Charles Baudelaire, Alfred d’Orsay, Lord Byron, Giacomo Casanova, der Fürst Hermann von Pückler-Muskau, Benjamin Disraeli, später auch die Vertreter des Ästhetizismus wie Oscar Wilde, Aubrey Beardsley, James McNeill Whistler und Max Beerbohm. Einer der bekanntesten Dandys des 20. Jahrhunderts war der Prince of Wales (kurzzeitig König Eduard VIII.), späterer Herzog von Windsor. Auch der US-amerikanische Schriftsteller Tom Wolfe trat mit seinen typischen weißen Anzügen als moderner Dandy auf.

In Deutschland erfuhr der Dandyismus in den 1990er Jahren eine Aktualisierung durch Vertreter der Popliteratur wie Christian Kracht und Benjamin von Stuckrad-Barre.

Geschichte

Lady spielt mit dem Dandy-Hampelmann
George Cruikshank 1818
Karikatur eines Dandys in der Wochenschrift Fliegende Blätter, 1845

Im 18. Jahrhundert lehnten die Engländer die französische Hofkultur zunehmend ab. Das neue Körperbewusstsein, das sich durch die Beschäftigung mit antiker Plastik herausgebildet hat, fand seine Umsetzung in der Schneiderei. Diese Einflüsse ließen den modernen Herrenanzug entstehen, der körpernah geschnitten die V-Silhouette des Mannes hervorhob und der meist aus festem Stoff in gedeckten Farben bestand und bis heute besteht.

Dieser Anzug wurde von Beau Brummell auf die Spitze getrieben, der als erster Vertreter des Dandytums gilt. Er propagierte bereits die neue Schlichtheit, als adlige Kreise noch ganz der höfischen französischen Mode folgten. Viele Legenden ranken sich um seine Person. So soll er seine Handschuhe stets von zwei verschiedenen Fabrikanten herstellen haben lassen,[1] einer für die Daumen, die er besonders geschickt zu gebrauchen verstand, ein anderer für die Finger. Er hatte drei Friseure, einen für die Stirn, einen für die Seiten und einen für den Hinterkopf (die Perücke kam mit seinem Einfluss aus der Mode). Er wechselte, entgegen den Gepflogenheiten seiner Zeit, mehrmals täglich seine Wäsche, dabei verachtete er Schmuck und Parfüm. Den Aufwand, den er betrieb, sah man nicht auf den ersten Blick, umso argwöhnischer wurde er von Zeitgenossen betrachtet. Er endete im Irrenhaus von Caen, nachdem er sein geerbtes Vermögen verausgabt hatte und von Gläubigern verfolgt wurde. Anekdoten und Aufsätze über Beau Brummell sind von Baudelaire, Fürst Pückler, Max Beerbohm und Virginia Woolf überliefert.

Oscar Wilde, Max Beerbohm, Aubrey Beardsley und andere Vertreter des Ästhetizismus propagierten gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen neuen Stil: Samtene Kniehosen und Westen, niederliegende Hemdkragen und große Sonnenblumen wurden zu ihren äußerlichen Kennzeichen.

Der Maler und Literat Rudolf Schlichter gefiel sich während seines Kunststudiums um 1910 an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Karlsruhe als Dandy, der mit Schminke und Puder im Gesicht, schwarz umränderten Augen, Glockenhose und Damenknopfstiefeln "voll selbstgefälliger Eitelkeit" durch die Straßen der Stadt schwebte.[2]

Paul Gavarni:
Pariser Dandy

Die Ästhetizisten öffneten die von bürgerlicher Enge und vom Moralismus geprägte viktorianische Gesellschaft für eine neue Sinnlichkeit in Farben und Formen. Sie bekämpften den herrschenden Geschmack des mainstream mit ritualisierter Ästhetik. Viele Dandys waren Künstler, Dichter oder Essayisten und vertraten ihren Stil auch literarisch. Dandyismus ist eine Lebenseinstellung, zu der Selbstinszenierung, Schlagfertigkeit sowie ein eher ungezwungenes Verhältnis zum Geld (viele hatten Spielschulden) gehören. Ebenfalls wichtig ist die Unabhängigkeit von bürgerlichen Zwängen wie Lohnarbeit oder Ehe.

Der Dandy Wildescher Prägung ist ein typisches Phänomen des fin de siècle. Seiner Lebensphilosophie liegt die Annahme zugrunde, dass die Welt in ihrer Ordnung schlecht und zum Untergang bestimmt ist. Politisches oder soziales Engagement, selbst die Einhaltung der bürgerlichen Normen sind daher nicht nur sinnlos, sondern geradezu Ausdruck (klein-)bürgerlicher Dumpfheit. Den Sinn, den er im Leben vermisst, kompensiert der Dandy durch die Form, die er seinem Selbst gibt, durch narzisstische Inszenierung. Er stilisiert sich zum décadent und genießt das Gefühl, damit zur Avantgarde zu gehören.

Eine modernere Form des Dandytums ist Camp.

Rezeption

Literatur

Der von Oscar Wilde gelobte exzentrische Dichter Charles Robert Maturin nahm bereits um 1820 den Typus des Dandys vorweg.[3]

Richard von Schaukal setzte mit seinem wohl bekanntesten Prosatext Leben und Meinungen des Herrn Andreas von Balthesser (1907) dem Typus des Dandys ein Denkmal.

Musik

Die englische Musikgruppe The Kinks veröffentlichte 1966 das Stück Dandy, welches die Überlebtheit dieses Lebensstils zum Inhalt hat.

Das zwölfte und letzte Album der Band T. Rex aus dem Jahr 1977 heißt wie das Eröffnungsstück Dandy in the Underworld.

Durch die Verballhornung des Namens Andy Warhol kamen die Dandy Warhols zu ihrem Namen.

Zitate

  • „Der Dandy ist ein Mann, dessen Status, Arbeit und Existenz im Tragen von Kleidung besteht. Er widmet jedes Vermögen seiner Seele, seines Geistes, seiner Geldbörse und seiner Person heldenhaft der Kunst, seine Kleidung gut zu tragen: Während die anderen sich kleiden, um zu leben, lebt er, um sich zu kleiden.“ (Thomas Carlyle in Sartor Resartus, 1834)
  • „Der Dandy muss sein ganzes Streben darauf richten, ohne Unterlass erhaben zu sein, er muss leben und schlafen vor einem Spiegel.“ (Charles Baudelaire, Tagebücher)

Siehe auch

Literatur

  • Barbey d’Aurevilly: Vom Dandytum und von G. Brummell [Originaltitel Du dandysme et de George Brummel. 1980]. Übersetzt und eingeleitet von Richard von Schaukal. Greno, Nördlingen 1987, ISBN 3-89190-807-5.
  • Barbey d'Aurevilly: Über das Dandytum und über George Brummel. Ein Dandy bevor es Dandies gab. Aus dem Französischen von Gernot Krämer. Matthes & Seitz, Berlin 2006, ISBN 3-88221-878-9.
  • Max Beerbohm: Dandys & Dandys. Ausgesuchte Essays und Erzählungen („Dandies & Dandies“, 1922). Haffmans, Zürich 1989, ISBN 3-251-20072-0.
  • Günter Erbe: Dandys. Virtuosen der Lebenskunst. Eine Geschichte des mondänen Lebens. Böhlau, Köln 2002, ISBN 3-412-05602-2.
  • Hiltrud Gnüg: Kult der Kälte. Der klassische Dandy im Spiegel der Weltliteratur. Metzler, Stuttgart 1988, ISBN 3-476-00641-7.
  • Roman Meinhold: Die idealtypische Inkarnation der Modephänomene. Der Dandy als Inszenierungskünstler, Ästhetiker, Feind des Alterns. In: Ders. Der Mode-Mythos. Lifestyle als Lebenskunst. Philosophisch-anthropologische Implikationen der Mode. Königshausen & Neumann, Würzburg 2005, ISBN 3-8260-2888-0 (zugl. Dissertation, Universität Mainz 2005).
  • Sebastian Neumeister: Der Dichter als Dandy. Kafka, Baudelaire, Thomas Bernhard. Fink, München 1973, ISBN 3-7705-0845-9.
  • Otto Mann: Der Dandy. Ein Kulturproblem der Moderne. Edition Hoof, Warendorf 2007, ISBN 978-3-936345-60-5 (Nachdr. d. Ausg. Heidelberg 1962; EA unter dem Titel Der moderne Dandy).
  • Hermann von Pückler-Muskau: Briefe eines Verstorbenen. Ein fragmentarisches Tagebuch aus Deutschland, Holland, Wales, Irland und Frankreich, geschrieben in den Jahren 1826 bis 1829. Insel, Frankfurt/M. 1991, ISBN 3-458-32919-6.
  • Oda Schaefer (Hrsg.): Der Dandy. Piper, München 1964.
  • Gerd Stein (Hrsg.): Dandy, Snob, Flaneur. Dekadenz und Exzentrik (Kulturfiguren und Sozialcharaktere des 19. und 20. Jahrhunderts; Bd. 2). Fischer Taschenbuch, Frankfurt/M. 1985, ISBN 3-596-25036-6.
  • Thomas Kastura (Hrsg.): Dandys. Goldmann, München 2001, ISBN 3-442-07735-4 (Texte von Alexander Puschkin, Oscar Wilde, Marcel Proust, Tom Wolfe, Evelyn Waugh und anderen).
  • Fernand Hörner: Die Behauptung des Dandys. Eine Archäologie. Transcript, Bielefeld 2008, ISBN 978-3-89942-913-8 (zugl. Dissertation, Universität Wuppertal 2007).
  • Isabelle Stauffer: Weibliche Dandys, blickmächtige Femmes fragiles. Ironische Inszenierungen des Geschlechts im Fin de Siècle (Literatur, Kultur, Geschlecht. Große Reihe; Bd. 50). Böhlau, Köln 2008, ISBN 978-3-412-20252-1.
  • Alexandra Tacke, Björn Weyand (Hrsg.): Depressive Dandys. Spielformen der Dekadenz in der Pop-Moderne (Literatur, Kultur, Geschlecht. Kleine Reihe; Bd. 26). Böhlau, Köln 2009, ISBN 978-3-412-20279-8.
  • Anne Kristin Tietenberg: Der Dandy als Grenzgänger der Moderne. Selbststilisierungen in Literatur und Popkultur (Literatur-Kultur-Medien; Bd. 14.) Lit, Berlin [u. a.] 2013, ISBN 978-3-643-11883-7 (zugl. Diss., Univ. Hannover 2012).
  • Günter Erbe: Der moderne Dandy. Böhlau, Wien 2017, ISBN 978-3-412-50715-2.

Weblinks

Commons: Dandys – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Dandy – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Bei d’Aurevilly (siehe Literaturverzeichnis) werden vier Künstler erwähnt, einer für den Daumen, drei für die restliche Hand.
  2. Rudolf Schlichter: Tönerne Füße. In: Curt Grützmacher (Hrsg.): Nachdruck der Erstausgabe von 1933 aus dem Ernst Rowohlt Verlag, Berlin. 1. Auflage. Edition Hentrich, Berlin 1992, ISBN 3-89468-017-2, S. 197.
  3. Michael Krüger: Charles Robert Maturin. In: Melmoth der Wanderer. Von Michael Krüger gekürzte Taschenbuchausgabe. Lizenzausgabe, Wilhelm Heyne, München 1971, S. 346–350, hier: S. 350.