„Erzelternerzählung“ – Versionsunterschied
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Während das [[Götterwelt|Pantheon]] der [[Kanaanäer]], deren Zentren die kanaanäischen Stadtstatten wie [[Hazor]], [[Megiddo]] und [[Lachisch]] waren, ihre Götter an bestimmten Kultplätzen verehrten, so [[En-Gannim]], [[Jibleam]], [[Dotan]], [[Tirza]] und [[Besek]].<ref>[[Robert Wenning]], [[Erich Zenger]]: ''Ein bäuerliches Baal-Heiligtum im samarischen Gebirge aus der Zeit der Anfänge Israels. Erwägungen zu dem von A. Mazar zwischen Dotan und Tirza entdeckten ,Bull Site'.'' Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 102, 1986, S. 75-86, auf archiv.ub.uni-heidelberg.de [http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/687/1/Wenning_baeuerliches_Baal_Heiligtum_1986.pdf] hier S.7</ref> |
Während das [[Götterwelt|Pantheon]] der [[Kanaanäer]], deren Zentren die kanaanäischen Stadtstatten wie [[Hazor]], [[Megiddo]] und [[Lachisch]] waren, ihre Götter an bestimmten Kultplätzen verehrten, so [[En-Gannim]], [[Jibleam]], [[Dotan]], [[Tirza]] und [[Besek]].<ref>[[Robert Wenning]], [[Erich Zenger]]: ''Ein bäuerliches Baal-Heiligtum im samarischen Gebirge aus der Zeit der Anfänge Israels. Erwägungen zu dem von A. Mazar zwischen Dotan und Tirza entdeckten ,Bull Site'.'' Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 102, 1986, S. 75-86, auf archiv.ub.uni-heidelberg.de [http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/687/1/Wenning_baeuerliches_Baal_Heiligtum_1986.pdf] hier S.7</ref> |
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[[Martin Metzger (Theologe)|Metztger]] (1979)<ref>[[Martin Metzger]]: ''Grundriß der Geschichte Israels.'' 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 24</ref> greift die Begrifflichkeit und Vorstellung Alts auf und vermutet, dass die an den Kultplätzen oder Heiligtümern [[Biblische Erzählung|tradierten Kulterzählungen]] sukzessive auf die „Vätergottheiten“ übertragen wurden, wobei insbesondere die [[Literarische Figur|Figur]] der [[Erzväter]] bzw. Erzelterngestalten in die kultischen [[Erzählung]]en einbezogen wurden.<ref>[[Martin Metzger]]: ''Grundriß der Geschichte Israels.'' 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 25</ref> |
[[Martin Metzger (Theologe)|Metztger]] (1979)<ref>[[Martin Metzger]]: ''Grundriß der Geschichte Israels.'' 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 24</ref> greift die Begrifflichkeit und Vorstellung Alts auf und vermutet, dass die an den Kultplätzen oder Heiligtümern [[Biblische Erzählung|tradierten Kulterzählungen]] sukzessive auf die „Vätergottheiten“ übertragen wurden, wobei insbesondere die [[Literarische Figur|Figur]] der [[Erzväter]] bzw. Erzelterngestalten in die kultischen [[Erzählung]]en einbezogen wurden.<ref>[[Martin Metzger]]: ''Grundriß der Geschichte Israels.'' 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 25</ref> Die Erzelterngenerationen sind [[Abraham]] und [[Sara (Erzmutter)|Sara]] ihr Sohn [[Isaak]] und dessen Frau [[Rebekka]], ihre Söhne [[Esau]] und [[Jakob]] sowie dessen Ehefrauen [[Lea]] und [[Rahel (Bibel)|Rachel]].<ref>[[Michael Pietsch]]: ''Väterverheißungen.'' Erstellt: Februar 2012, Deutsche Bibelgesellschaft, auf bibelwissenschaft.de [https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/vaeterverheissungen/ch/73cfe69470c57893273a72fdc40e8157/]</ref> |
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So sei das [[Baumheiligtum]] von [[Mambre]] bei [[Hebron]] in die Abrahamserzählung ({{B|Gen|18,23}}) eingeflossen, das [[Heilige Quelle|Quellen- oder Brunnenheiligtum]] von [[Beerscheba]] Anknüpfungspunkt für die Erzählung um Isaak ({{B|Gen|26,23-25}}) geworden und die Höhen(heiligtümer) von [[Sichem]] ({{B|Gen|33,18-20}}), [[Bet-El]] ({{B|Gen|28,10-22}}), [[Penuel]] ({{B|Gen|32,22-32}}) sowie [[Mahanajim]] ({{B|Gen|32,2}}) wurden in die [[Jakob|Erzählungen um Jacob]] eingewoben. In einem nächsten Schritt der Religionsentstehung wurden die Erzelterngestalten auch genealogisch verbunden und die zugehörigen Gottheiten unter dem Begriff der „Gott Abrahams Isaaks und Jacobs“ oder den „Gott der Väter“ ({{B|Ex|3,6}}) zusammengeführt. Damit war die Umwandlung der Höhenheiligtümer zu den tradierten Erzählungen „Gott der Väter“ weitgehend abgeschlossen. |
So sei das [[Baumheiligtum]] von [[Mambre]] bei [[Hebron]] in die Abrahamserzählung ({{B|Gen|18,23}}) eingeflossen, das [[Heilige Quelle|Quellen- oder Brunnenheiligtum]] von [[Beerscheba]] Anknüpfungspunkt für die Erzählung um Isaak ({{B|Gen|26,23-25}}) geworden und die Höhen(heiligtümer) von [[Sichem]] ({{B|Gen|33,18-20}}), [[Bet-El]] ({{B|Gen|28,10-22}}), [[Penuel]] ({{B|Gen|32,22-32}}) sowie [[Mahanajim]] ({{B|Gen|32,2}}) wurden in die [[Jakob|Erzählungen um Jacob]] eingewoben. In einem nächsten Schritt der Religionsentstehung wurden die Erzelterngestalten auch genealogisch verbunden und die zugehörigen Gottheiten unter dem Begriff der „Gott Abrahams Isaaks und Jacobs“ oder den „Gott der Väter“ ({{B|Ex|3,6}}) zusammengeführt. Damit war die Umwandlung der Höhenheiligtümer zu den tradierten Erzählungen „Gott der Väter“ weitgehend abgeschlossen. |
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Version vom 29. Januar 2023, 14:01 Uhr
Erzelternerzählung oder traditionell Vätergeschichte bezeichnet die gesammelten Erzählungen über die Stammväter und Stammmütter der Israeliten im 1. Buch Mose (Genesis oder Bereschit) der Bibel (Kapitel 12–50). Diese Texteinheit erzählt die Anfänge des Volkes Israel als Familien- und Sippengeschichte über drei bis vier Generationen: von den Erzeltern Abraham und Sara über ihren Sohn Isaak und seine Frau Rebekka, den Konflikt zwischen deren Zwillingssöhnen Jakob und Esau bis zu Streit und Versöhnung der zwölf Söhne Jakobs in der Josefsgeschichte. Als Erzmütter gelten neben Sara und Rebekka auch Jakobs Ehefrauen Lea und Rachel.
Die drei „abrahamitischen Religionen“ Judentum, Christentum und Islam führen sich je auf ihre Weise auf die Erzelternerzählung zurück.
Text in den Kapiteln des Buches Genesis |
Thema |
---|---|
12–23 | Abraham und Sarah |
24–28,9 | Isaak und Rebekka |
28,10–36 | Jakob mit Lea und Rachel |
37–50 | Josef und seine Brüder |
Bezeichnung
Die biblische Exegese betonte traditionell die Rolle der drei Stammväter Abraham, Isaak und Jakob, auch in der Bezeichnung Vätergeschichte. Heute setzt sich allmählich die Terminologie ‚Erzeltern‘ bzw. ‚Erzeltern-Erzählungen‘ durch, weil „Frauen (Sara, Rebekka, Rahel und Lea) als ‚Erzmütter‘ bzw. ‚Ahnmütter‘ […] in diesen Erzählungen trotz deren patriarchalischer Prägung von wesentlicher Bedeutung sind“. „Selbst dort, wo Männer scheinbar die Handlung tragen, nehmen Frauen entscheidende Rollen ein.“[1] Die Vorsilbe Erz- stammt vom griechischen arch- „Erster-, Höchster-“ und bezieht sich auf die Reihen- und zugleich Rangfolge dieser Personen in der biblischen Gesamtgeschichte Israels.[2]
Zwölf Stämme Israels
Die zwölf Jakobssöhne (Abrahams Urenkel) sind biblisch die Stammväter der Zwölf Stämme Israels, also des Gesamtvolkes, dessen Geschichte ab dem 2. Buch Mose (Exodus) erzählt wird (Jakobs Tochter gehört nicht dazu). Die Entstehung dieses Volkes hatte Israels Gott JHWH dem Abraham zu Beginn der Erzelternerzählung versprochen (Gen 12,1–3); am Schluss bekräftigt er diese Segenszusage (Gen 50,24ff.). Die Versöhnung der Söhne Jakobs nach dessen Tod bildet somit das „politische Lebensprogramm für Israel“. Die gesamte Erzählung umfasst nach dem Eigenkontext einen riesigen Zeitraum seit dem Noachbund nach der Sintflut (Gen 9) bis zur Sklaverei der Israeliten im Alten Ägypten (Ex 1). Tatsächlich spiegelt sie jedoch schon die spätere Besiedlung des gelobten Landes Kanaan, von der die weiteren biblischen Bücher erzählen.[3] Der Entstehungsprozess der Erzählung von ersten Einzeltexten bis zur Endkomposition der Tora (des Pentateuch) ist sehr komplex und umstritten. Konsens besteht heute darin, dass die Endredaktion, die die Erzelternerzählung mit der vorangehenden Urgeschichte (Gen 1–11) und der folgenden Exoduserzählung verknüpfte, um 450–400 v. Chr. geschah.[4]
Theoretische Überlegungen und Hintergründe
Der Theologe Alt (1929) prägte den Begriff „Gott der Väter“[5] und nimmt damit Bezug auf die Erzelternerzählungen. Der Begriff umschreibt den Unterschied zu den kanaanäischen Gottheiten, die sich über ihren Kultort definierten, während die „Vätergottheiten“ durch die Person, den Erzvätern (-müttern), bestimmt wurden, denen er sich zum ersten Mal offenbarte.[6] Während das Pantheon der Kanaanäer, deren Zentren die kanaanäischen Stadtstatten wie Hazor, Megiddo und Lachisch waren, ihre Götter an bestimmten Kultplätzen verehrten, so En-Gannim, Jibleam, Dotan, Tirza und Besek.[7]
Metztger (1979)[8] greift die Begrifflichkeit und Vorstellung Alts auf und vermutet, dass die an den Kultplätzen oder Heiligtümern tradierten Kulterzählungen sukzessive auf die „Vätergottheiten“ übertragen wurden, wobei insbesondere die Figur der Erzväter bzw. Erzelterngestalten in die kultischen Erzählungen einbezogen wurden.[9] Die Erzelterngenerationen sind Abraham und Sara ihr Sohn Isaak und dessen Frau Rebekka, ihre Söhne Esau und Jakob sowie dessen Ehefrauen Lea und Rachel.[10] So sei das Baumheiligtum von Mambre bei Hebron in die Abrahamserzählung (Gen 18,23 EU) eingeflossen, das Quellen- oder Brunnenheiligtum von Beerscheba Anknüpfungspunkt für die Erzählung um Isaak (Gen 26,23-25 EU) geworden und die Höhen(heiligtümer) von Sichem (Gen 33,18-20 EU), Bet-El (Gen 28,10-22 EU), Penuel (Gen 32,22-32 EU) sowie Mahanajim (Gen 32,2 EU) wurden in die Erzählungen um Jacob eingewoben. In einem nächsten Schritt der Religionsentstehung wurden die Erzelterngestalten auch genealogisch verbunden und die zugehörigen Gottheiten unter dem Begriff der „Gott Abrahams Isaaks und Jacobs“ oder den „Gott der Väter“ (Ex 3,6 EU) zusammengeführt. Damit war die Umwandlung der Höhenheiligtümer zu den tradierten Erzählungen „Gott der Väter“ weitgehend abgeschlossen.
Literatur
- Uwe Zerbst, Peter van der Veen: Volk ohne Ahnen? Auf den Spuren der Erzväter und des frühen Israel. SCM Hänssler, 2017, ISBN 3-7751-5467-1.
- Irmtraud Fischer: Die Erzeltern Israels: Feministisch-theologische Studien zu Genesis 12–36. De Gruyter, Berlin 2011, ISBN 3-11-014232-5 (erstveröffentlicht 1994).
- Anselm C. Hagedorn, Henrik Pfeiffer (Hrsg.): Die Erzväter in der biblischen Tradition: Festschrift für Matthias Köckert. De Gruyter, Berlin 2009, ISBN 3-11-020978-0.
- Horst Seebass: Vätergeschichte. Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn:
- Genesis, 3 Bände in vier Teilbänden, Band 2/1. 1997, ISBN 3-7887-1526-X.
- Genesis, 3 Bände in vier Teilbänden, Band 2/2. 1999, ISBN 3-7887-1583-9.
- Claus Westermann: Die Verheißungen an die Väter: Studien zur Vätergeschichte. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1997, ISBN 3-525-53273-3.
Einzelnachweise
- ↑ Anke Mühling: Erzeltern. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart 2006 ff. Artikel vom Juli 2009; Matthias Millard: Genesis – 3.1.3. Die Eigenständigkeit der Erzelternerzählung. WiBiLex, März 2006.
- ↑ Erz- (Erzengel, Erzhirte, Erzvater). In: Michaela Bauks und andere (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex). Stuttgart 2006 ff.
- ↑ Erich Zenger: Einleitung in das Alte Testament. 6. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2006, S. 63.
- ↑ Erich Zenger: Einleitung in das Alte Testament. 6. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2006, S. 68–135, hier S. 127.
- ↑ Albrecht Alt: Der Gott der Väter. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Israelitischen Religion. W. Kohlhammer, Stuttgart 1929
- ↑ Andrea Beyer: Gottesbegegnung (AT). Erstellt: Februar 2017, Deutsche Bibelgesellschaft, auf bibelwissenschaft.de [1] hier „3. Ur- und Vätergeschichte (Gen 1-11.12-50)“
- ↑ Robert Wenning, Erich Zenger: Ein bäuerliches Baal-Heiligtum im samarischen Gebirge aus der Zeit der Anfänge Israels. Erwägungen zu dem von A. Mazar zwischen Dotan und Tirza entdeckten ,Bull Site'. Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 102, 1986, S. 75-86, auf archiv.ub.uni-heidelberg.de [2] hier S.7
- ↑ Martin Metzger: Grundriß der Geschichte Israels. 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 24
- ↑ Martin Metzger: Grundriß der Geschichte Israels. 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 25
- ↑ Michael Pietsch: Väterverheißungen. Erstellt: Februar 2012, Deutsche Bibelgesellschaft, auf bibelwissenschaft.de [3]