„Sozialpsychologie“ – Versionsunterschied

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Die '''Sozialpsychologie''' befasst sich mit menschlichem Verhalten und Erleben im sozialen Kontext, sie ist ein Teilgebiet der [[Psychologie]].
Die '''Sozialpsychologie''' ist ein Teilgebiet der [[Psychologie]] und [[Soziologie]], das die Auswirkungen der tatsächlichen oder vorgestellten Gegenwart anderer Menschen auf das [[Erleben]] und [[Verhalten (Psychologie)|Verhalten]] des [[Individuum|Individuums]] erforscht ([[Gordon Allport]] 1968).

== Definition ==
Eine weit verbreitete Definition stammt vom US-amerikanischen Sozialpsychologen [[Gordon Allport|Gordon W. Allport]] aus dem Jahr 1954:<ref name="schmitt" />
{{Zitat
|Text=Sozialpsychologie ist der wissenschaftliche Versuch zu erklären, wie die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen von Individuen beeinflusst werden durch die tatsächliche, vorgestellte oder implizite Anwesenheit anderer Menschen.}}

Grundsätzlich kann in der Sozialpsychologie auf Ebene der ''intrapsychischen Prozesse'', wie auch auf Ebene der ''sozialen Interaktion'' analysiert werden. Weitere Analyseebenen sind darüber hinaus die ''intra-'' und ''intergruppale Interaktion''.<ref name="kessler6" />


Zwei fundamentale [[Axiom]]e der Sozialpsychologie lauten:<ref>E. R. Smith, D. M. Mackie: ''Social Psychology.'' 2. Auflage. Psychology Press, 2000, ISBN 0-86377-587-X, S. 14–16.</ref>
Zwei fundamentale [[Axiom]]e der Sozialpsychologie lauten:<ref>E. R. Smith, D. M. Mackie: ''Social Psychology.'' 2. Auflage. Psychology Press, 2000, ISBN 0-86377-587-X, S. 14–16.</ref>
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== Geschichte der Sozialpsychologie ==
== Geschichte der Sozialpsychologie ==
Den Beginn des Fachgebiets Sozialpsychologie terminieren Jonas, Stroebe und Hewstone auf [[1898]], als die mutmaßlich ersten sozialpsychologischen Experimente durch [[Norman Triplett]] durchgeführt wurden. Triplett konnte zeigen, dass [[Radrennfahrer]] bessere Leistungen erbringen, wenn sie gegen Wettbewerber oder einen [[Schrittmacher (Radsport)|Schrittmacher]] antreten. Diese [[Quasiexperiment|quasiexperimentellen]] Befunde validierte Triplett durch ein Folgeexperiment, in dem Schulkinder das Aufrollen einer Angelschnur alleine oder im Wettkampf ausführten; heute werden diese Experimente als Belege für den Effekt der [[Soziale Erleichterung|sozialen Erleichterung]] genannt.


Das Jahr [[1908]], in dem die ersten beiden Lehrbücher der Sozialpsychologie veröffentlicht wurden, halten Jonas et al. für eine suboptimale Annahme zum Beginn der Sozialpsychologie – der Soziologe [[Edward Alsworth Ross]] publizierte ''Social psychology, an outline and source book'' durch die New Yorker ''[[Macmillan Publishers|Macmillan Company]]''; der Psychologe [[William McDougall (Psychologe)|William McDougall]] schrieb ''An Introduction to Social Psychology'', welche ursprünglich bei ''[[Methuen Publishing|Methuen & Co.]]'' in London veröffentlicht wurde. Beide Texte enthielten wenig Inhalte, die nach heutigen Maßstäben der Sozialpsychologie zugeordnet werden könnten.<ref name="Jonas" />
Den Beginn des Fachgebiets Sozialpsychologie terminieren Jonas, Stroebe und Hewstone auf [[1898]], als die mutmaßlich ersten sozialpsychologischen Experimente durch [[Norman Triplett]] durchgeführt wurden. Triplett konnte zeigen, dass [[Radrennfahrer]] bessere Leistungen erbringen, wenn sie gegen Wettbewerber oder einen Schrittmacher antreten. (Denkbar wäre allerdings, dass die Radfahrer eine persönliche Präferenz für Rennsituationen haben, und sich möglicherweise auf Renn-Situationen beschränkten, in denen sie besonders gut sind. Diese [[Quasiexperiment|quasiexperimentellen]] Befunde validierte Triplett durch ein Folgeexperiment, in dem Schulkinder das Aufrollen einer Angelschnur alleine oder im Wettkampf ausführten; heute werden diese Experimente als Belege für den Effekt der [[Soziale Erleichterung|sozialen Erleichterung]] genannt.)

Das Jahr [[1908]], in dem die ersten beiden Lehrbücher der Sozialpsychologie veröffentlicht wurden, halten Jonas et al. für eine suboptimale Annahme zum Beginn der Sozialpsychologie – der Soziologe [[Edward Alsworth Ross]] publizierte ''Social psychology, an outline and source book'' durch die New Yorker ''[[Macmillan Publishers|Macmillan Company]]''; der Psychologe [[William McDougall (Psychologe)|William McDougall]] schrieb ''An Introduction to Social Psychology'', welche ursprünglich bei ''[[Methuen Publishing|Methuen & Co.]]'' in London veröffentlicht wurde. Beide Texte enthielten wenig Inhalte, die nach heutigen Maßstäben der Sozialpsycholgie zugeordnet werden könnten.<ref name="Jonas"/>


=== Entwicklungspfade der Sozialpsychologie ===
=== Entwicklungspfade der Sozialpsychologie ===
{{lückenhaft|Eckdaten, zentrale Befunde, kritische Würdigung, Einordnung, Abgrenzung sind bestenfalls angedeutet}}
{{Lückenhaft|Eckdaten, zentrale Befunde, kritische Würdigung, Einordnung, Abgrenzung sind bestenfalls angedeutet}}


Es lassen sich zwei verschiedene Entwicklungsstränge in der Sozialpsychologie ausmachen:
Es lassen sich zwei verschiedene Entwicklungsstränge in der Sozialpsychologie ausmachen:
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Die ''psychologische'' Sozialpsychologie erforscht im weitesten Sinne die Auswirkungen sozialer [[Interaktion]]en auf Gedanken, Gefühle und Verhalten des ''Individuums'' (“an attempt to understand and explain how the thought, feeling and behavior of individuals are influenced by the actual, imagined, or implied presence of others”, [[Gordon Allport|Allport]] 1968). [[Quantitative Sozialforschung|Quantitative Untersuchungsformen]], vor allem das [[Experimentelle Psychologie|Experiment]] konstatieren ihr Selbstverständnis als [[Naturwissenschaft]]. Als Gründer der modernen Sozialpsychologie gilt [[Kurt Lewin]].<ref>E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: ''Sozialpsychologie.'' 4. Auflage. Pearson Studium, 2004, ISBN 3-8273-7084-1, S. 17.</ref>
Die ''psychologische'' Sozialpsychologie erforscht im weitesten Sinne die Auswirkungen sozialer [[Interaktion]]en auf Gedanken, Gefühle und Verhalten des ''Individuums'' (“an attempt to understand and explain how the thought, feeling and behavior of individuals are influenced by the actual, imagined, or implied presence of others”, [[Gordon Allport|Allport]] 1968). [[Quantitative Sozialforschung|Quantitative Untersuchungsformen]], vor allem das [[Experimentelle Psychologie|Experiment]] konstatieren ihr Selbstverständnis als [[Naturwissenschaft]]. Als Gründer der modernen Sozialpsychologie gilt [[Kurt Lewin]].<ref>E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: ''Sozialpsychologie.'' 4. Auflage. Pearson Studium, 2004, ISBN 3-8273-7084-1, S. 17.</ref>


Die Grenze beider Perspektiven verschwimmt jedoch durch die Anwendung quantitativer und qualitativer Verfahren in beiden Disziplinen zusehends. Neuere interdisziplinäre Bestrebung, Sozial- und Naturwissenschaften in den sogenannten [[Humanwissenschaften]] zusammen zu führen, bestärken diese Tendenz.
Die Grenze beider Perspektiven verschwimmt jedoch durch die Anwendung quantitativer und qualitativer Verfahren in beiden Disziplinen zusehends. Neuere interdisziplinäre Bestrebung, Sozial- und Naturwissenschaften in den sogenannten [[Humanwissenschaften]] zusammenzuführen, bestärken diese Tendenz.

Im Februar 2017 wurde mit der Emeritierung des psychoanalytischen Sozialpsychologen [[Rolf Pohl]] die Möglichkeit beendet, das Fach Sozialpsychologie an der Universität Hannover zu studieren.<ref>Marc Schwietring: ''Flaschenpost in stürmischer See. An der Uni Hannover wurde kürzlich das Fach Sozialpsychologie abgewickelt.'' In: ''neues deutschland.'' 8./9. April 2017, S. 24.</ref>


== Forschungsbereiche ==
== Forschungsbereiche ==
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Ein weiterer Gegenstandsbereich der Sozialpsychologie sind soziale Aspekte der [[Emotion]]en und [[Stimmung (Psychologie)|Stimmungen]] als Entscheidungsgrundlagen.
Ein weiterer Gegenstandsbereich der Sozialpsychologie sind soziale Aspekte der [[Emotion]]en und [[Stimmung (Psychologie)|Stimmungen]] als Entscheidungsgrundlagen.


Die Sozialpsychologie beschäftigt sich ebenfalls damit, warum Menschen Gruppen bilden, welche [[Soziale Rolle|sozialen Rollen]] sie dabei einnehmen (welche Erwartungen an eine Person mit einer bestimmten Position in der Gruppe gestellt werden), was für verschiedene Arten von Gruppen es gibt (aufgabenbezogene Gruppe, Gruppe mit emotionaler Nähe usw.) und deren Einfluss auf das Individuum.
Die Sozialpsychologie beschäftigt sich ebenfalls damit, warum Menschen Gruppen bilden, welche [[Soziale Rolle|sozialen Rollen]] sie dabei einnehmen (welche Erwartungen an eine Person mit einer bestimmten Position in der Gruppe gestellt werden), was für verschiedene Arten von Gruppen es gibt ([[Arbeit (Philosophie)|arbeitsbezogene]] Gruppe, [[Weltanschauung|weltanschauliche]] Gruppe, Gruppe mit emotionaler Nähe usw.) und deren Einfluss auf das Individuum.


Auch [[Vorurteil]]e und Intergruppenbeziehungen spielen in der Sozialpsychologie eine große Rolle. Ein Sozialpsychologe versucht also eine Erklärung für die Entstehung von negativen Einstellungen gegenüber einer [[Fremdgruppe]] zu liefern und deren Auswirkungen auf das Verhalten eines Individuums zu erforschen.
Auch [[Vorurteil]]e und Intergruppenbeziehungen spielen in der Sozialpsychologie eine große Rolle. Ein Sozialpsychologe versucht also eine Erklärung für die Entstehung von negativen Einstellungen gegenüber einer [[Fremdgruppe]] zu liefern und deren Auswirkungen auf das Verhalten eines Individuums zu erforschen.
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* [[Konsistenztheorie]]n.
* [[Konsistenztheorie]]n.


== Angrenzende Fachgebiete und Disziplinen ==
== Unterschiede zu benachbarten Fachgebieten ==
Es gibt verschiedene Aspekte der Sozialpsychologie, die interdisziplinär betrachtet werden. Insbesondere mit der [[Soziologie]] besteht wechselseitige Beeinflussung und Inspiration, so wurden etwa sozialpsychologische Forschungen zu Rollen und Einstellungen soziologisch angestoßen. Während die Soziologie jedoch eine ''makrosoziale'' Ebene betrachtet – die gesellschaftliche Ebene, also Gruppen, Organisationen und Gesellschaften,<ref name="aronson9" /> untersucht die Sozialpsychologie auf ''mikrosozialem'' Level – also mit Blick auf Prozesse oder Phänomene im Individuum<ref name="schmitt" /> und die allen Menschen gemeinsamen psychischen Prozesse.<ref name="aronson9" />
Trotz diverser Schnittmengen ist die Sozialpsychologie als eigenständige Disziplin von anderen Wissenschaftsfeldern abzugrenzen:<ref name="Jonas"/>


Die [[Persönlichkeitspsychologie]] hingegen untersucht die individuell charakteristischen Merkmale.<ref name="aronson9" />
=== Unterschiede zur Persönlichkeitspsychologie ===
In der sozialpsychologischen Forschung ist es üblich, dass Aspekte der sozialen Umgebung manipuliert werden, um den [[Einfluss]] dieser Veränderung auf die Gedanken, Gefühle und das Verhalten eines Menschen zu erfassen. In der [[Persönlichkeitspsychologie]] dagegen geht es weniger darum, welchen Einfluss der soziale Kontext auf das Erleben und Verhalten hat, sondern darum, welche Persönlichkeitsmerkmale verantwortlich dafür sind, dass sich unterschiedliche Personen gegenüber einer ähnlichen sozialen Situation unterschiedlich verhalten. Der Persönlichkeitspsychologe ist also an Persönlichkeitsmerkmalen, deren Ursprung und deren Auswirkung auf das Verhalten und Erleben interessiert, wohingegen der Sozialpsychologe den Einfluss einer [[Sozial|sozialen]] Situation auf das individuelle Verhalten untersucht.

Da jedoch das individuelle Verhalten sowohl von sozialen Situationen als auch von Persönlichkeitsmerkmalen beeinflusst wird, ist es schwer, [[Persönlichkeitspsychologie]] und Sozialpsychologie voneinander abzugrenzen.

=== Unterschiede zur Soziologie ===
Auch zwischen der Sozialpsychologie und der [[Soziologie]] gibt es zahlreiche Überschneidungen. Sowohl die meisten [[Soziologe]]n als auch die Sozialpsychologen teilen den Ansatz des [[Methodologischer Individualismus|methodologischen Individualismus]]. Trotz der Ähnlichkeiten beider Fachgebiete gibt es auch Differenzen in der Art und Weise, wie soziales Verhalten untersucht wird. Soziologen sehen die Ursache des sozialen Verhaltens eher in strukturellen Variablen wie [[Soziale Rolle|sozialen Rollen]], [[Soziale Norm|Normen]] oder sozialen Schichten, während Sozialpsychologen soziales Verhalten auf individuelle Prozesse, also beispielsweise auf Ziele, Motive und [[Kognition]]en des Individuums zurückführen.


== Bekannte Sozialpsychologen ==
== Bekannte Sozialpsychologen ==
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== Literatur ==
== Literatur ==
* E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: ''Sozialpsychologie.'' 6. Auflage. Pearson Studium, 2008, ISBN 978-3-8273-7359-5.
* E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: ''Sozialpsychologie.'' 8. Auflage. Pearson Studium, 2014, ISBN 978-3-86894-217-0.
* H. Bless, K. Fiedler, F. Strack: ''Social cognition. How individuals construct social reality.'' Psychology Press, Hove, UK 2004, ISBN 0-86377-828-3.
* H. Bless, K. Fiedler, F. Strack: ''Social cognition. How individuals construct social reality.'' Psychology Press, Hove, UK 2004, ISBN 0-86377-828-3.
* K. Jonas, W. Stroebe, M. Hewstone (Hrsg.): ''Sozialpsychologie. Einführung.'' 6., vollständig überarbeitete Auflage. Springer Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-41090-1.
* K. Jonas, [[Wolfgang Stroebe|W. Stroebe]], M. Hewstone (Hrsg.): ''Sozialpsychologie. Einführung.'' 6., vollständig überarbeitete Auflage. Springer Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-41090-1.


* Thanos Lipowatz: ''Die Politik der Psyche, eine Einführung in die Psychopathologie des Politischen''. Turia & Kant, Wien 1998, ISBN 3-85132-156-1.
* [[Boris Parygin]]: ''Grundlagen der sozialpsychologischen Theorie.'' Pahl-Rugenstein, Köln 1982, ISBN 3-7609-0186-7.
* [[Boris Parygin]]: ''Grundlagen der sozialpsychologischen Theorie.'' Pahl-Rugenstein, Köln 1982, ISBN 3-7609-0186-7.
* [[Manfred Sader (Psychologe)|Manfred Sader]]: ''Psychologie der Gruppe.'' Juventa, München 1996, ISBN 3-7799-0315-6.
* [[Manfred Sader (Psychologe)|Manfred Sader]]: ''Psychologie der Gruppe.'' Juventa, München 1996, ISBN 3-7799-0315-6.
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== Weblinks ==
== Weblinks ==
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; Thematische Weblinks zu Fragen der Sozialpsychologie
; Thematische Weblinks zu Fragen der Sozialpsychologie
* [http://www.socialpsychology.org/ socialpsychology.org]
* [http://www.socialpsychology.org/ socialpsychology.org]
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* [http://www.spsp.org/ Society of Personality and Social Psychology]
* [http://www.spsp.org/ Society of Personality and Social Psychology]
* [http://www.spssi.org/ Society for the Psychological Study of Social Issues]
* [http://www.spssi.org/ Society for the Psychological Study of Social Issues]
* [http://aschcenter.blogs.brynmawr.edu/ Solomon Asch Center]


== Einzelnachweise ==
== Einzelnachweise ==
<references>
<references>
<ref name="kessler6">
<ref name="Jonas">Klaus Jonas, Wolfgang Stroebe, Miles Hewstone: [https://www.springer.com/de/book/9783642410901#aboutAuthors Sozialpsychologie], Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014. DOI 10.1007/978-3-642-41091-8; ISBN 978-3-642-41090-1.</ref>
T. Kessler, I. Fritsche: ''Sozialpsychologie''. Springer, ISBN 978-3-531-17126-5. {{DOI|10.1007/978-3-531-93436-5}}, S. 6.
</ref>
<ref name="aronson9">
E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: ''Sozialpsychologie.'' 8. Auflage, Pearson Studium, 2014, ISBN 978-3-86894-217-0, S. 9.
</ref>
<ref name="schmitt">
Schmitt, Manfred; Gollwitzer, Mario: ''Sozialpsychologie kompakt'', Beltz Verlagsgruppe 2019. ISBN 3-407-96090-5.
</ref>
<ref name="Jonas">
Klaus Jonas, [[Wolfgang Stroebe]], Miles Hewstone: [https://www.springer.com/de/book/9783642410901#aboutAuthors Sozialpsychologie], Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014. [[doi:10.1007/978-3-642-41091-8]]; ISBN 978-3-642-41090-1.
</ref>
</references>
</references>



Aktuelle Version vom 4. Mai 2024, 10:31 Uhr

Die Sozialpsychologie befasst sich mit menschlichem Verhalten und Erleben im sozialen Kontext, sie ist ein Teilgebiet der Psychologie.

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine weit verbreitete Definition stammt vom US-amerikanischen Sozialpsychologen Gordon W. Allport aus dem Jahr 1954:[1]

„Sozialpsychologie ist der wissenschaftliche Versuch zu erklären, wie die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen von Individuen beeinflusst werden durch die tatsächliche, vorgestellte oder implizite Anwesenheit anderer Menschen.“

Grundsätzlich kann in der Sozialpsychologie auf Ebene der intrapsychischen Prozesse, wie auch auf Ebene der sozialen Interaktion analysiert werden. Weitere Analyseebenen sind darüber hinaus die intra- und intergruppale Interaktion.[2]

Zwei fundamentale Axiome der Sozialpsychologie lauten:[3]

  1. Menschen konstruieren ihre eigene Realität.
  2. Das gesamte Erleben und Verhalten wird von sozialen Beziehungen beeinflusst.

Geschichte der Sozialpsychologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Den Beginn des Fachgebiets Sozialpsychologie terminieren Jonas, Stroebe und Hewstone auf 1898, als die mutmaßlich ersten sozialpsychologischen Experimente durch Norman Triplett durchgeführt wurden. Triplett konnte zeigen, dass Radrennfahrer bessere Leistungen erbringen, wenn sie gegen Wettbewerber oder einen Schrittmacher antreten. Diese quasiexperimentellen Befunde validierte Triplett durch ein Folgeexperiment, in dem Schulkinder das Aufrollen einer Angelschnur alleine oder im Wettkampf ausführten; heute werden diese Experimente als Belege für den Effekt der sozialen Erleichterung genannt.

Das Jahr 1908, in dem die ersten beiden Lehrbücher der Sozialpsychologie veröffentlicht wurden, halten Jonas et al. für eine suboptimale Annahme zum Beginn der Sozialpsychologie – der Soziologe Edward Alsworth Ross publizierte Social psychology, an outline and source book durch die New Yorker Macmillan Company; der Psychologe William McDougall schrieb An Introduction to Social Psychology, welche ursprünglich bei Methuen & Co. in London veröffentlicht wurde. Beide Texte enthielten wenig Inhalte, die nach heutigen Maßstäben der Sozialpsychologie zugeordnet werden könnten.[4]

Entwicklungspfade der Sozialpsychologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es lassen sich zwei verschiedene Entwicklungsstränge in der Sozialpsychologie ausmachen:

  • die soziologische Sozialpsychologie, die v. a. in Europa als Teilgebiet der Soziologie entwickelt wurde und
  • die psychologische Sozialpsychologie, die in den USA entwickelt wurde und sich inzwischen auch in Europa etabliert hat.

Der Unterschied zwischen den beiden Ansätzen besteht darin, dass sich die soziologische Sozialpsychologie stärker auf Gruppenprozesse ausrichtet, während sich die psychologische Sozialpsychologie stärker auf das Individuum fokussiert.

Die soziologische Sozialpsychologie wird häufig theorielastig betrieben und konstituiert sich als Geistes- und Sozialwissenschaft. Entsprechende Ansätze sind z. B. die Kritische Theorie, welche auch psychoanalytische Ideen beinhaltet. Zu den sozialpsychologisch arbeitenden Psychoanalytikern zählen Sigmund Freud, Wilhelm Reich und Erich Fromm. Innerhalb der Frankfurter Schule sind insbesondere Theodor W. Adorno (Studien zum autoritären Charakter) und Herbert Marcuse (Triebstruktur und Gesellschaft) zu nennen. An die Psychoanalyse Lacan'scher Prägung schließen die Arbeiten von Slavoj Žižek und anderen an.

Die psychologische Sozialpsychologie erforscht im weitesten Sinne die Auswirkungen sozialer Interaktionen auf Gedanken, Gefühle und Verhalten des Individuums (“an attempt to understand and explain how the thought, feeling and behavior of individuals are influenced by the actual, imagined, or implied presence of others”, Allport 1968). Quantitative Untersuchungsformen, vor allem das Experiment konstatieren ihr Selbstverständnis als Naturwissenschaft. Als Gründer der modernen Sozialpsychologie gilt Kurt Lewin.[5]

Die Grenze beider Perspektiven verschwimmt jedoch durch die Anwendung quantitativer und qualitativer Verfahren in beiden Disziplinen zusehends. Neuere interdisziplinäre Bestrebung, Sozial- und Naturwissenschaften in den sogenannten Humanwissenschaften zusammenzuführen, bestärken diese Tendenz.

Forschungsbereiche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Forschungsgegenstände in der Sozialpsychologie sind vielfältig.

Einer davon ist die soziale Wahrnehmung, also der Prozess, bei dem Informationen über die individuellen Merkmale einer Person aufgenommen, gesammelt und interpretiert werden. Zur sozialen Wahrnehmung gehören zudem die Attributionstheorien (die sich mit Erklärungen für unser eigenes Verhalten und das Verhalten anderer Menschen beschäftigen), die Theorie der korrespondierenden Schlussfolgerungen (die annimmt, dass Betrachter aus einem beobachteten Verhalten auf entsprechende Absichten schließen) und die Kovariationstheorie (die eine Erklärung dafür liefert, wie Menschen unterschiedliche Ursachen einer beobachteten Handlung einschätzen und beurteilen).

Ein weiteres zentrales Thema innerhalb der Sozialpsychologie ist die soziale Kognition. Diese versucht zu verstehen, wie wir über uns selbst und über andere Menschen denken und wie die hierbei beteiligten Prozesse unser Verhalten und unser Urteil in sozialen Situationen beeinflussen. Bedeutsam in der Forschung der sozialen Kognition ist die Unterscheidung zwischen automatischen und kontrollierten (Denk-)Prozessen. Ein automatischer Prozess ist ein Prozess, der ohne Absicht und unbewusst auftritt, welcher gleichzeitig ablaufende kognitive Prozesse nicht stört. Ein kontrollierter Prozess dagegen ist ein absichtlich herbeigeführter Prozess, welcher sehr aufwändig ist und bewusst abläuft. Auch sogenannte Stereotypen, also kognitive Strukturen, die unser Wissen und unsere Erwartungen gegenüber anderen sozialen Menschengruppen enthalten, spielen eine wichtige Rolle in der Forschung der sozialen Kognition.

Die Sozialpsychologie beschäftigt sich unter anderem auch mit Konstruktionen und Interpretationen des Selbst, also mit den Ansichten und dem Wissen einer Person über sich selbst. Die Sozialpsychologie interessiert sich hier besonders dafür, woher die Selbstkenntnis stammt und worin deren gesellschaftliche Ursprünge liegen. Begriffe wie das Selbstkonzept, Selbstschemata (mentale Strukturen, die uns helfen Verarbeitungen selbstbezogener Informationen zu organisieren und anzuleiten) und das Selbstwertgefühl sind zentrale Begriffe in der Forschung des Selbst.

Auch das Thema Einstellungen ist ein zentraler Bereich der Sozialpsychologie. Unter dem Begriff Einstellung versteht man die Bewertung von Menschen, Gruppen und Sachverhalten in unserer sozialen Umwelt. Einstellungen haben großen Einfluss darauf, wie ein Individuum sich verhält und wie es die Welt wahrnimmt. Als eines der wichtigsten Modelle zum Einstellungsbegriff zählt das Multikomponentenmodell der Einstellung. Dieses besagt, dass Einstellungen zusammenfassende Bewertungen eines Objektes sind, die auf kognitiven, affektiven und verhaltensbezogenen Grundlagen beruhen. Einstellungsforscher beschäftigen sich außerdem damit, wann und wie Einstellungen unser Verhalten vorhersagen, also mit der Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten. Ebenfalls von zentraler Bedeutung in der Sozialpsychologie sind Strategien zur Einstellungs- und Verhaltensänderung und der soziale Einfluss, bei dem Menschen durch Anwesenheit Anderer beeinflusst werden, ohne gezielten Versuch, diese zu beeinflussen.

Ein weiterer Gegenstandsbereich der Sozialpsychologie sind soziale Aspekte der Emotionen und Stimmungen als Entscheidungsgrundlagen.

Die Sozialpsychologie beschäftigt sich ebenfalls damit, warum Menschen Gruppen bilden, welche sozialen Rollen sie dabei einnehmen (welche Erwartungen an eine Person mit einer bestimmten Position in der Gruppe gestellt werden), was für verschiedene Arten von Gruppen es gibt (arbeitsbezogene Gruppe, weltanschauliche Gruppe, Gruppe mit emotionaler Nähe usw.) und deren Einfluss auf das Individuum.

Auch Vorurteile und Intergruppenbeziehungen spielen in der Sozialpsychologie eine große Rolle. Ein Sozialpsychologe versucht also eine Erklärung für die Entstehung von negativen Einstellungen gegenüber einer Fremdgruppe zu liefern und deren Auswirkungen auf das Verhalten eines Individuums zu erforschen.

Weitere wichtige Gegenstandsbereiche der Sozialpsychologie sind unter anderem:

Angrenzende Fachgebiete und Disziplinen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt verschiedene Aspekte der Sozialpsychologie, die interdisziplinär betrachtet werden. Insbesondere mit der Soziologie besteht wechselseitige Beeinflussung und Inspiration, so wurden etwa sozialpsychologische Forschungen zu Rollen und Einstellungen soziologisch angestoßen. Während die Soziologie jedoch eine makrosoziale Ebene betrachtet – die gesellschaftliche Ebene, also Gruppen, Organisationen und Gesellschaften,[6] untersucht die Sozialpsychologie auf mikrosozialem Level – also mit Blick auf Prozesse oder Phänomene im Individuum[1] und die allen Menschen gemeinsamen psychischen Prozesse.[6]

Die Persönlichkeitspsychologie hingegen untersucht die individuell charakteristischen Merkmale.[6]

Bekannte Sozialpsychologen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. 8. Auflage. Pearson Studium, 2014, ISBN 978-3-86894-217-0.
  • H. Bless, K. Fiedler, F. Strack: Social cognition. How individuals construct social reality. Psychology Press, Hove, UK 2004, ISBN 0-86377-828-3.
  • K. Jonas, W. Stroebe, M. Hewstone (Hrsg.): Sozialpsychologie. Einführung. 6., vollständig überarbeitete Auflage. Springer Heidelberg 2014, ISBN 978-3-642-41090-1.
Fachzeitschriften im Bereich Sozialpsychologie
Weiterführende Literatur

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Sozialpsychologie – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Social psychology – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Thematische Weblinks zu Fragen der Sozialpsychologie
Vereinigungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Schmitt, Manfred; Gollwitzer, Mario: Sozialpsychologie kompakt, Beltz Verlagsgruppe 2019. ISBN 3-407-96090-5.
  2. T. Kessler, I. Fritsche: Sozialpsychologie. Springer, ISBN 978-3-531-17126-5. doi:10.1007/978-3-531-93436-5, S. 6.
  3. E. R. Smith, D. M. Mackie: Social Psychology. 2. Auflage. Psychology Press, 2000, ISBN 0-86377-587-X, S. 14–16.
  4. Klaus Jonas, Wolfgang Stroebe, Miles Hewstone: Sozialpsychologie, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014. doi:10.1007/978-3-642-41091-8; ISBN 978-3-642-41090-1.
  5. E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. 4. Auflage. Pearson Studium, 2004, ISBN 3-8273-7084-1, S. 17.
  6. a b c E. Aronson, T. D. Wilson, R. M. Akert: Sozialpsychologie. 8. Auflage, Pearson Studium, 2014, ISBN 978-3-86894-217-0, S. 9.