„Erzelternerzählung“ – Versionsunterschied

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
[ungesichtete Version][gesichtete Version]
Inhalt gelöscht Inhalt hinzugefügt
Verbesserung
 
(14 dazwischenliegende Versionen von 6 Benutzern werden nicht angezeigt)
Zeile 1: Zeile 1:
[[Datei:Adriaen van der Werff Sarah presenting Hagar to Abraham.jpg|mini|hochkant|''[[Sara führt Hagar zu Abraham]]'', Gemälde von [[Adriaen van der Werff]], 1699]]
[[Datei:Adriaen van der Werff Sarah presenting Hagar to Abraham.jpg|mini|hochkant|''[[Sara führt Hagar zu Abraham]]'', Gemälde von [[Adriaen van der Werff]], 1699]]


'''Erzelternerzählung''' oder traditionell '''Vätergeschichte''' ({{heS|אבות הראשונים|avot ha-rishonim}} zu {{he|אבות|avot|de=Väter‘ ‚plural}}) bezeichnet die [[Kompilation (Literatur)|gesammelten]] [[Biblische Erzählung|Erzählungen]] über die Stammväter und Stammmütter der [[Israeliten]] im 1. Buch Mose (''[[Genesis (Bibel)|Genesis]]'' oder ''Bereschit'') der [[Bibel]] (Kapitel 12–50). Diese Texteinheit erzählt die Anfänge des [[Volk Israel|Volkes Israel]] als [[Nomadismus|nomadisch]] bzw. [[Halbnomadismus|halbnomadisch]] lebenden Familien- und Sippengeschichte über drei bis vier Generationen: von den '''Erzeltern''' [[Abraham]] und [[Sara (Erzmutter)|Sara]] über ihren Sohn [[Isaak]] und seine Frau [[Rebekka]], den Konflikt zwischen deren Zwillingssöhnen [[Jakob]] und [[Esau]] bis zu Streit und Versöhnung der zwölf Söhne Jakobs in der [[Josefsgeschichte]]. Als '''Erzmütter''' gelten neben Sara und Rebekka auch Jakobs Ehefrauen [[Lea]] und [[Rahel (Bibel)|Rachel]].
'''Erzelternerzählung''' oder traditionell '''Vätergeschichte''' ({{heS|אבות הראשונים|avot ha-rishonim|de=die ersten Vorfahren}} zu {{he|אבות|avot|de=Väter‘ ‚plural}}) bezeichnet die [[Kompilation (Literatur)|gesammelten]] [[Biblische Erzählung|Erzählungen]] über die Stammväter und Stammmütter der [[Israeliten]] im 1. Buch Mose (''[[Genesis (Bibel)|Genesis]]'' oder ''Bereschit'') der [[Bibel]] ({{B|1 Mos|12–50}}). Diese Texteinheit erzählt die Anfänge des [[Volk Israel|Volkes Israel]] als [[Nomadismus|nomadisch]] bzw. [[Halbnomadismus|halbnomadisch]] lebenden Familien- und Sippengeschichte über drei bis vier Generationen: von den '''Erzeltern''' [[Abraham]] und [[Sara (Erzmutter)|Sara]] über ihren Sohn [[Isaak]] und seine Frau [[Rebekka]], den Konflikt zwischen deren Zwillingssöhnen [[Jakob]] und [[Esau]] bis zu Streit und Versöhnung der zwölf Söhne Jakobs in der [[Josefsgeschichte]]. Als '''Erzmütter''' gelten neben Sara und Rebekka auch Jakobs Ehefrauen [[Lea]] und [[Rahel (Bibel)|Rachel]].


Die drei „[[Abrahamitische Religionen|abrahamitischen Religionen]]“ [[Judentum]], [[Christentum]] und [[Islam]] führen sich je auf ihre Weise auf die Erzelternerzählung zurück.
Die drei „[[Abrahamitische Religionen|abrahamitischen Religionen]]“ [[Judentum]], [[Christentum]] und [[Islam]] führen sich je auf ihre Weise auf die Erzelternerzählung zurück.
Zeile 19: Zeile 19:


== Bezeichnung ==
== Bezeichnung ==
Die [[biblische Exegese]] betonte traditionell die Rolle der drei [[Stammvater|Stammväter]] Abraham, Isaak und Jakob, auch in der Bezeichnung ''Vätergeschichte''. Heute setzt sich allmählich die Terminologie ‚Erzeltern‘ bzw. ‚Erzeltern-Erzählungen‘ durch, weil {{"|Frauen (Sara, Rebekka, Rahel und Lea) als ‚Erzmütter‘ bzw. ‚[[Stammmutter|Ahnmütter]]‘ […] in diesen Erzählungen trotz deren patriarchalischer Prägung von wesentlicher Bedeutung sind}}. „Selbst dort, wo Männer scheinbar die Handlung tragen, nehmen Frauen entscheidende Rollen ein.“<ref>{{WiBiLex|Erzeltern|Autoren=Anke Mühling}} Artikel vom Juli 2009; Matthias Millard: [https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/genesis/ch/31682f628edb3532c0f9734bb2ac1f0c/#h6 ''Genesis – 3.1.3. Die Eigenständigkeit der Erzelternerzählung.''] WiBiLex, März 2006.</ref> Die Vorsilbe [[Erz-]] stammt vom [[Griechische Sprache|griechischen]] ''arch-'' „Erster-, Höchster-“ und bezieht sich auf die Reihen- und zugleich Rangfolge dieser Personen in der biblischen Gesamtgeschichte Israels.<ref>[https://www.bibelwissenschaft.de/lightbox/online-bibeln/luther-bibel-1984/lexikon/sachwort/anzeigen/details/9263/bibel/text/lesen/ch/895fc01889576705ac9079cba10674ca/ ''Erz- (Erzengel, Erzhirte, Erzvater).''] In: Michaela Bauks und andere (Hrsg.): ''[[Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet]]'' (WiBiLex). Stuttgart 2006 ff.</ref>
Die [[biblische Exegese]] betonte traditionell die Rolle der drei [[Stammvater|Stammväter]] Abraham, Isaak und Jakob, auch in der Bezeichnung ''Vätergeschichte''. Heute setzt sich allmählich die Terminologie ‚Erzeltern‘ bzw. ‚Erzeltern-Erzählungen‘ durch, weil {{"|Frauen (Sara, Rebekka, Rahel und Lea) als ‚Erzmütter‘ bzw. ‚[[Stammmutter|Ahnmütter]]‘ […] in diesen Erzählungen trotz deren patriarchalischer Prägung von wesentlicher Bedeutung sind}}. „Selbst dort, wo Männer scheinbar die Handlung tragen, nehmen Frauen entscheidende Rollen ein.“<ref>{{WiBiLex|17712|Erzeltern|Autoren=Anke Mühling|Abruf=2023-10-02|Datum=2009-07}}; Matthias Millard: [https://bibelwissenschaft.de/stichwort/11602/ ''Genesis – 3.1.3. Die Eigenständigkeit der Erzelternerzählung.''] WiBiLex, März 2006.</ref> Die Vorsilbe [[Erz-]] stammt vom [[Griechische Sprache|griechischen]] ''arch-'' „Erster-, Höchster-“ und bezieht sich auf die Reihen- und zugleich Rangfolge dieser Personen in der biblischen Gesamtgeschichte Israels.<ref>''Erz- (Erzengel, Erzhirte, Erzvater)'' Die deutsche Vorsilbe »Erz-« geht auf das griechische Wort für Anfang (»arche«) zurück und bezeichnet den rangmäßig Ersten, Ältesten oder den Höchsten einer Gruppe“ (Lutherbibel 2017, Sach- und Worterklärungen)</ref>


== Rekonstruierter Stammbaum der Erzeltern in der Bibel ==
== Rekonstruierter Stammbaum der Erzeltern in der Bibel ==
{{Stammbaum der Erzväter}}
{{Stammbaum der Erzväter}}
== Zwölf Stämme Israels ==
== Zwölf Stämme Israels ==
{{Hauptartikel|Geschichte Israels#Die Erzväter}}
[[Datei:Genesis Grobgliederung.png|250px|mini|Grobgliederung des Buches Genesis mit Hervorhebung wichtiger Kapitel und Verse]]
[[Datei:Genesis Grobgliederung.png|250px|mini|Grobgliederung des Buches Genesis mit Hervorhebung wichtiger Kapitel und Verse]]
Die zwölf Jakobssöhne (Abrahams Urenkel) sind biblisch die Stammväter der [[Zwölf Stämme Israels]], also des Gesamtvolkes, dessen Geschichte ab dem 2.&nbsp;Buch Mose ''([[Exodus (Bibel)|Exodus]])'' erzählt wird (Jakobs Tochter gehört nicht dazu).<!--heiratete auswärts?--> Die Entstehung dieses Volkes hatte Israels Gott [[JHWH]] dem Abraham zu Beginn der Erzelternerzählung versprochen (Gen 12,1–3); am Schluss bekräftigt er diese Segenszusage (Gen 50,24ff.). Die Versöhnung der Söhne Jakobs nach dessen Tod bildet somit das „politische Lebensprogramm für Israel“. Die gesamte Erzählung umfasst nach dem Eigenkontext einen riesigen Zeitraum seit dem [[Noach]]bund nach der [[Sintflut]] (Gen 9) bis zur [[Sklaverei]] der Israeliten im [[Altes Ägypten|Alten Ägypten]] (Ex 1). Tatsächlich spiegelt sie jedoch schon die spätere Besiedlung des [[Gelobtes Land|gelobten Landes]] [[Kanaan]], von der die weiteren biblischen Bücher erzählen.<ref>Erich Zenger: ''Einleitung in das Alte Testament.'' 6. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2006, S. 63.</ref> Der Entstehungsprozess der Erzählung von ersten Einzeltexten bis zur Endkomposition der [[Tora]] (des Pentateuch) ist sehr komplex und umstritten. Konsens besteht heute darin, dass die Endredaktion, die die Erzelternerzählung mit der vorangehenden [[Urgeschichte]] (Gen 1–11) und der folgenden [[Auszug aus Ägypten|Exoduserzählung]] verknüpfte, um 450–400 v. Chr. geschah.<ref>Erich Zenger: ''Einleitung in das Alte Testament.'' 6. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2006, S. 68–135, hier S. 127.</ref>
Die zwölf Jakobssöhne (Abrahams Urenkel) sind biblisch die Stammväter der [[Zwölf Stämme Israels]], also des Gesamtvolkes, dessen Geschichte ab dem 2.&nbsp;Buch Mose ''([[Exodus (Bibel)|Exodus]])'' erzählt wird (Jakobs Tochter gehört nicht dazu).<!--heiratete auswärts?--> Die Entstehung dieses Volkes hatte Israels Gott [[JHWH]] dem Abraham zu Beginn der Erzelternerzählung versprochen ({{B|Gen|12,1–3}}); am Schluss bekräftigt er diese Segenszusage ({{B|Gen|50,24ff.}}). Die Versöhnung der Söhne Jakobs nach dessen Tod bildet somit das „politische Lebensprogramm für Israel“. Die gesamte Erzählung umfasst nach dem Eigenkontext einen riesigen Zeitraum seit dem [[Noach]]bund nach der [[Sintflut]] ({{B|Gen|9}}) bis zur [[Sklaverei]] der Israeliten im [[Altes Ägypten|Alten Ägypten]] (Ex 1). Tatsächlich spiegelt sie jedoch schon die spätere Besiedlung des [[Gelobtes Land|gelobten Landes]] [[Kanaan]], von der die weiteren biblischen Bücher erzählen.<ref>Erich Zenger: ''Einleitung in das Alte Testament.'' 6. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019526-4, S.&nbsp;63.</ref> Der Entstehungsprozess der Erzählung von ersten Einzeltexten bis zur Endkomposition der [[Tora]] (des Pentateuch) ist sehr komplex und umstritten. Konsens besteht heute darin, dass die Endredaktion, die die Erzelternerzählung mit der vorangehenden [[Urgeschichte]] ({{B|Gen|1–11}}) und der folgenden [[Auszug aus Ägypten|Exoduserzählung]] verknüpfte, um 450–400 v. Chr. geschah.<ref>Erich Zenger: ''Einleitung in das Alte Testament.'' 6. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019526-4, S.&nbsp;68–135, hier S.&nbsp;127.</ref>


== Forschungsgeschichte ==
== Theoretische Überlegungen und Hintergründe ==
[[Albrecht Alt]] prägte 1929 den [[Begriff]] „[[Gott der Väter]]“<ref>Albrecht Alt: ''Der Gott der Väter. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Israelitischen Religion.'' W. Kohlhammer, Stuttgart 1929</ref> und nahm damit Bezug auf die Erzelternerzählungen. Der Begriff umschreibt den Unterschied zu den [[Kanaanäische Götter|kanaanäischen Gottheiten]], die sich über ihren [[Kultstätte|Kultort]] definierten, während die „Vätergottheiten“ durch die [[Figur (Fiktion)|Person]], die Erzväter (-mütter), bestimmt wurden, denen er sich zum ersten Mal [[Offenbarung#Tanach|offenbarte]],<ref>{{Internetquelle |autor=[[Andrea Beyer]] |url=https://bibelwissenschaft.de/stichwort/19916/ |titel=Gottesbegegnung (AT) |titelerg=3. Ur- und Vätergeschichte (Gen 1-11.12-50) |hrsg=Deutsche Bibelgesellschaft |werk=bibelwissenschaft.de |datum=2017-02 |abruf=2023-01-29}}</ref> während die [[Kanaanäer]], deren Zentren die kanaanäischen Stadtstatten wie [[Hazor]], [[Megiddo]] und [[Lachisch]] waren, ihre Götter an bestimmten [[Kultplatz|Kultplätzen]] verehrten, so [[En-Gannim]], [[Jibleam]], [[Dotan (antike Stadt)|Dotan]], [[Tirza (biblischer Ort)|Tirza]] und [[Besek (biblischer Ort)|Besek]].<ref>[[Robert Wenning]], [[Erich Zenger]]: ''Ein bäuerliches Baal-Heiligtum im samarischen Gebirge aus der Zeit der Anfänge Israels. Erwägungen zu dem von A. Mazar zwischen Dotan und Tirza entdeckten „Bull Site“.'' Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 102, 1986, S.&nbsp;75–86, auf [http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/687/1/Wenning_baeuerliches_Baal_Heiligtum_1986.pdf#page=7 archiv.ub.uni-heidelberg.de]</ref>
In dem Zeitraum zwischen den [[12. Jahrhundert v. Chr.|12.]] bis zum [[9. Jahrhundert v. Chr.|9. Jahrhunderts v. Chr.]] sind Auseinandersetzungen zwischen den nicht sesshaften „[[Aramäer (Volk)#Assyrische Quellen|Aramäern]]“ („aramäische Wanderbewegung“, {{B|Deut|26,5}}) und den [[Assyrer]]n ([[Assyrien]]) in der Region um den [[Tigris]] sowie den ehemals [[Hethiter|hethitischen]] Besitzungen westlich des [[Euphrat]]s belegt.<ref>[[Helmuth Egelkraut]], W.S. LaSor, D.A. Hubbard, F.W. Bush: ''Das Alte Testament: Entstehung, Geschichte, Botschaft.'' Brunnen Verlag, Gießen 2016, ISBN 978-3-7655-7711-6, S. 163–170, auf google.books.de [https://books.google.de/books?id=Sk94DwAAQBAJ&pg=PA167&lpg=PA167&dq=aram%C3%A4ische+wanderbewegung+erzv%C3%A4ter&source=bl&ots=IZ5nlIz2QM&sig=ACfU3U38WSXIf3zQNw_UObISBduOJ_d1dQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjp6aarlO38AhUGQ_EDHQtCCgQ4HhDoAXoECBoQAw]</ref><ref>[[Annemarie Ohler]]: ''dtv-Atlas Bibel.'' 3. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006, ISBN 3-423-03326-6, S. 38.</ref><ref>[[Werner H. Schmidt]]: ''Einführung in das Alte Testament.'' 5. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2012, ISBN 3-11-014102-7, auf books.google.de [https://books.google.de/books?id=KdogAAAAQBAJ&pg=PA10&lpg=PA10&dq=aram%C3%A4ische+wanderbewegung+erzv%C3%A4ter&source=bl&ots=nXGBOUOUE6&sig=ACfU3U0Yxu_gOoqV2UJtyl0hV2w8eDWWFw&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiL45WOju38AhWJSfEDHfBlAQU4FBDoAXoECBkQAw#v=onepage&q=aram%C3%A4ische%20wanderbewegung%20erzv%C3%A4ter&f=false]</ref> Aus diesen nicht geschlossenen ethnischen Gruppen wanderten einige nach [[Kanaan]] ein und ließen sich dort um das 13.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr. als einzelne nomadische Stämme aramäischer Herkunft nieder („[[Landnahme der Israeliten]]“).
Die Familien- und Sippenverbände wechselten saisonal von den Winterweiden zu den Sommerweiden, sie waren als Verbände lose organisiert und wurden von Stammesältesten angeführt. Dabei verehrten sie überwiegend „Vätergottheiten“.


Aufbauend auf den Arbeiten Albrecht Alts und [[Martin Noth]]s ergab sich für viele Alttestamentler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts folgendes Bild der Frühzeit Israels: In dem Zeitraum zwischen den [[12. Jahrhundert v. Chr.|12.]] bis zum [[9. Jahrhundert v. Chr.|9. Jahrhunderts v. Chr.]] sind Auseinandersetzungen zwischen den nicht sesshaften „[[Aramäer (Volk)#Assyrische Quellen|Aramäern]]“ („aramäische Wanderbewegung“, {{B|Deut|26,5}}) und den [[Assyrer]]n ([[Assyrien]]) in der Region um den [[Tigris]] sowie den ehemals [[Hethiter|hethitischen]] Besitzungen westlich des [[Euphrat]]s belegt.<ref>[[Helmuth Egelkraut]], William S. LaSor, David A. Hubbard, Frederic W. Bush: ''Das Alte Testament: Entstehung, Geschichte, Botschaft.'' Brunnen Verlag, Gießen 2016, ISBN 978-3-7655-7711-6, S.&nbsp;163–170, auf google.books.de [https://books.google.de/books?id=Sk94DwAAQBAJ&pg=PA167&lpg=PA167&dq=aram%C3%A4ische+wanderbewegung+erzv%C3%A4ter&source=bl&ots=IZ5nlIz2QM&sig=ACfU3U38WSXIf3zQNw_UObISBduOJ_d1dQ&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwjp6aarlO38AhUGQ_EDHQtCCgQ4HhDoAXoECBoQAw]</ref><ref>Annemarie Ohler: ''dtv-Atlas Bibel.'' 3. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006, ISBN 3-423-03326-6, S.&nbsp;38.</ref><ref>[[Werner H. Schmidt]]: ''Einführung in das Alte Testament.'' 5. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2012, ISBN 3-11-014102-7, auf books.google.de [https://books.google.de/books?id=KdogAAAAQBAJ&pg=PA10&lpg=PA10&dq=aram%C3%A4ische+wanderbewegung+erzv%C3%A4ter&source=bl&ots=nXGBOUOUE6&sig=ACfU3U0Yxu_gOoqV2UJtyl0hV2w8eDWWFw&hl=de&sa=X&ved=2ahUKEwiL45WOju38AhWJSfEDHfBlAQU4FBDoAXoECBkQAw#v=onepage&q=aram%C3%A4ische%20wanderbewegung%20erzv%C3%A4ter&f=false]</ref> Aus diesen nicht geschlossenen ethnischen Gruppen wanderten einige nach [[Kanaan]] ein und ließen sich dort um das 13.&nbsp;Jahrhundert v.&nbsp;Chr. als einzelne nomadische Stämme aramäischer Herkunft nieder („[[Landnahme der Israeliten]]“). Die Familien- und Sippenverbände wechselten saisonal von den Winterweiden zu den Sommerweiden, sie waren als Verbände lose organisiert und wurden von Stammesältesten angeführt. Dabei verehrten sie überwiegend „Vätergottheiten“.
Der Theologe [[Albrecht Alt|Alt]] (1929) prägte den [[Begriff]] „Gott der Väter“<ref>[[Albrecht Alt]]: ''Der Gott der Väter. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Israelitischen Religion.'' W. Kohlhammer, Stuttgart 1929</ref> und nimmt damit Bezug auf die Erzelternerzählungen. Der Begriff umschreibt den Unterschied zu den [[Kanaanäische Götter|kanaanäischen Gottheiten]], die sich über ihren [[Kultstätte|Kultort]] definierten, während die „Vätergottheiten“ durch die [[Figur (Fiktion)|Person]], den Erzvätern (-müttern), bestimmt wurden, denen er sich zum ersten Mal [[Offenbarung#Tanach|offenbarte]].<ref>[[Andrea Beyer]]: ''Gottesbegegnung (AT).'' Erstellt: Februar 2017, Deutsche Bibelgesellschaft, auf bibelwissenschaft.de [https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/gottesbegegnung-at/ch/eda6511fb9c0eae1a1910b6fee7c56c7/#h2] hier „3. Ur- und Vätergeschichte (Gen 1-11.12-50)“</ref>
Während das [[Götterwelt|Pantheon]] der [[Kanaanäer]], deren Zentren die kanaanäischen Stadtstatten wie [[Hazor]], [[Megiddo]] und [[Lachisch]] waren, ihre Götter an bestimmten [[Kultplatz|Kultplätzen]] verehrten, so [[En-Gannim]], [[Jibleam]], [[Dotan (antike Stadt)|Dotan]], [[Tirza (biblischer Ort)|Tirza]] und [[Besek (biblischer Ort)|Besek]].<ref>[[Robert Wenning]], [[Erich Zenger]]: ''Ein bäuerliches Baal-Heiligtum im samarischen Gebirge aus der Zeit der Anfänge Israels. Erwägungen zu dem von A. Mazar zwischen Dotan und Tirza entdeckten ,Bull Site'.'' Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 102, 1986, S. 75–86, auf archiv.ub.uni-heidelberg.de [http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/propylaeumdok/687/1/Wenning_baeuerliches_Baal_Heiligtum_1986.pdf] hier S. 7</ref>


[[Martin Metzger (Theologe)|Martin Metzger]] (1979)<ref>[[Martin Metzger (Theologe)|Martin Metzger]]: ''Grundriß der Geschichte Israels.'' 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 24</ref> greift die Begrifflichkeit und Vorstellung Alts auf und vermutet, dass die an den Kultplätzen oder Heiligtümern [[Biblische Erzählung|tradierten Kulterzählungen]] sukzessive auf die „Vätergottheiten“ übertragen wurden, wobei insbesondere die [[Literarische Figur|Figur]] der [[Erzväter]] bzw. Erzelterngestalten in die kultischen [[Erzählung]]en einbezogen wurden.<ref>Martin Metzger: ''Grundriß der Geschichte Israels.'' 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 25; 57</ref> Die Erzelterngenerationen sind [[Abraham]] und [[Sara (Erzmutter)|Sara]] ihr Sohn [[Isaak]] und dessen Frau [[Rebekka]], ihre Söhne [[Esau]] und [[Jakob]] sowie dessen Ehefrauen [[Lea]] und [[Rahel (Bibel)|Rachel]].<ref>[[Michael Pietsch (Theologe)|Michael Pietsch]]: ''Väterverheißungen.'' Erstellt: Februar 2012, Deutsche Bibelgesellschaft, auf bibelwissenschaft.de [https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/vaeterverheissungen/ch/73cfe69470c57893273a72fdc40e8157/]</ref>
[[Martin Metzger (Theologe)|Martin Metzger]]<ref>Martin Metzger: ''Grundriß der Geschichte Israels.'' 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S.&nbsp;24</ref> beispielsweise griff in seinem ''Grundriss der Geschichte Israels'' (5. Auflage 1979) Alts These vom „Gott der Väter“ auf und vermutete, dass die an den Kultplätzen oder Heiligtümern [[Biblische Erzählung|tradierten Kulterzählungen]] sukzessive auf die „Vätergottheiten“ übertragen worden seien, wobei insbesondere die [[Literarische Figur|Figur]] der [[Erzväter]] bzw. Erzelterngestalten in die kultischen [[Erzählung]]en einbezogen worden seien.<ref>Martin Metzger: ''Grundriß der Geschichte Israels.'' 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S.&nbsp;25 u. 57</ref> Die Erzelterngenerationen sind [[Abraham]] und [[Sara (Erzmutter)|Sara]] ihr Sohn [[Isaak]] und dessen Frau [[Rebekka]], ihre Söhne [[Esau]] und [[Jakob]] sowie dessen Ehefrauen [[Lea]] und [[Rahel (Bibel)|Rachel]].<ref>{{Internetquelle |autor=[[Michael Pietsch (Theologe)|Michael Pietsch]] |url=https://bibelwissenschaft.de/stichwort/33963/ |titel=Väterverheißungen |hrsg=Deutsche Bibelgesellschaft |werk=bibelwissenschaft.de |datum=2012-02 |abruf=2023-01-29}}</ref> So sei das [[Baumheiligtum]] von [[Mambre]] bei [[Hebron]] in die Abrahamserzählung ({{B|Gen|18,23}}) eingeflossen, das [[Heilige Quelle|Quellen- oder Brunnenheiligtum]] von [[Beerscheba]] Anknüpfungspunkt für die Erzählung um Isaak ({{B|Gen|26,23-25}}) geworden und die Höhen(heiligtümer) von [[Sichem]] ({{B|Gen|33,18-20}}), [[Bet-El]] ({{B|Gen|28,10-22}}), [[Penuel]] ({{B|Gen|32,22-32}}) sowie [[Mahanajim]] ({{B|Gen|32,2}}) wurden in die [[Jakob|Erzählungen um Jacob]] eingewoben. In einem nächsten Schritt der Religionsentstehung seien die Erzelterngestalten auch [[Genealogie|genealogisch]] (rekonstruierter Stammbaum) verbunden und die zugehörigen Gottheiten unter dem Begriff der „Gott Abrahams Isaaks und Jacobs“ oder den „Gott der Väter“ ({{B|Ex|3,6}}) zusammengeführt worden. Damit sei die Umwandlung der Verehrung an den heiligen Orten zu der tradierten Erzählung „Gott der Väter“ weitgehend abgeschlossen gewesen.
So sei das [[Baumheiligtum]] von [[Mambre]] bei [[Hebron]] in die Abrahamserzählung ({{B|Gen|18,23}}) eingeflossen, das [[Heilige Quelle|Quellen- oder Brunnenheiligtum]] von [[Beerscheba]] Anknüpfungspunkt für die Erzählung um Isaak ({{B|Gen|26,23-25}}) geworden und die Höhen(heiligtümer) von [[Sichem]] ({{B|Gen|33,18-20}}), [[Bet-El]] ({{B|Gen|28,10-22}}), [[Penuel]] ({{B|Gen|32,22-32}}) sowie [[Mahanajim]] ({{B|Gen|32,2}}) wurden in die [[Jakob|Erzählungen um Jacob]] eingewoben. In einem nächsten Schritt der Religionsentstehung wurden die Erzelterngestalten auch [[Genealogie|genealogisch]] (rekonstruierter Stammbaum) verbunden und die zugehörigen Gottheiten unter dem Begriff der „Gott Abrahams Isaaks und Jacobs“ oder den „Gott der Väter“ ({{B|Ex|3,6}}) zusammengeführt. Damit war die Umwandlung der Verehrung an den heiligen Orten zu der tradierten Erzählung „Gott der Väter“ weitgehend abgeschlossen.


== Literatur ==
== Literatur ==
* Uwe Zerbst, [[Pieter Gert van der Veen|Peter van der Veen]]: ''Volk ohne Ahnen? Auf den Spuren der Erzväter und des frühen Israel.'' SCM Hänssler, 2017, ISBN 3-7751-5467-1.
* Uwe Zerbst, [[Pieter Gert van der Veen|Peter van der Veen]]: ''Volk ohne Ahnen? Auf den Spuren der Erzväter und des frühen Israel.'' SCM Hänssler, Holzgerlingen 2017, ISBN 3-7751-5467-1.
* [[Irmtraud Fischer]]: ''Die Erzeltern Israels: Feministisch-theologische Studien zu Genesis 12–36.'' De Gruyter, Berlin 2011, ISBN 3-11-014232-5 (erstveröffentlicht 1994).
* [[Irmtraud Fischer]]: ''Die Erzeltern Israels: Feministisch-theologische Studien zu Genesis 12–36.'' De Gruyter, Berlin 2011, ISBN 3-11-014232-5 (erstveröffentlicht 1994).
* [[Anselm C. Hagedorn]], [[Henrik Pfeiffer]] (Hrsg.): ''Die Erzväter in der biblischen Tradition: Festschrift für [[Matthias Köckert]].'' De Gruyter, Berlin 2009, ISBN 3-11-020978-0.
* [[Anselm C. Hagedorn]], [[Henrik Pfeiffer]] (Hrsg.): ''Die Erzväter in der biblischen Tradition: Festschrift für [[Matthias Köckert]].'' De Gruyter, Berlin 2009, ISBN 3-11-020978-0.

Aktuelle Version vom 2. November 2023, 19:34 Uhr

Sara führt Hagar zu Abraham, Gemälde von Adriaen van der Werff, 1699

Erzelternerzählung oder traditionell Vätergeschichte (hebräisch אבות הראשונים avot ha-rishonim, deutsch ‚die ersten Vorfahren‘ zu אבות avot, deutsch ‚Väter‘ ‚plural‘) bezeichnet die gesammelten Erzählungen über die Stammväter und Stammmütter der Israeliten im 1. Buch Mose (Genesis oder Bereschit) der Bibel (1 Mos 12–50 EU). Diese Texteinheit erzählt die Anfänge des Volkes Israel als nomadisch bzw. halbnomadisch lebenden Familien- und Sippengeschichte über drei bis vier Generationen: von den Erzeltern Abraham und Sara über ihren Sohn Isaak und seine Frau Rebekka, den Konflikt zwischen deren Zwillingssöhnen Jakob und Esau bis zu Streit und Versöhnung der zwölf Söhne Jakobs in der Josefsgeschichte. Als Erzmütter gelten neben Sara und Rebekka auch Jakobs Ehefrauen Lea und Rachel.

Die drei „abrahamitischen ReligionenJudentum, Christentum und Islam führen sich je auf ihre Weise auf die Erzelternerzählung zurück.

Text in den Kapiteln
des Buches Genesis
Thema
12–23 Abraham und Sarah
24–28,9 Isaak und Rebekka
28,10–36 Jakob mit Lea und Rachel
37–50 Josef und seine Brüder

Bezeichnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die biblische Exegese betonte traditionell die Rolle der drei Stammväter Abraham, Isaak und Jakob, auch in der Bezeichnung Vätergeschichte. Heute setzt sich allmählich die Terminologie ‚Erzeltern‘ bzw. ‚Erzeltern-Erzählungen‘ durch, weil „Frauen (Sara, Rebekka, Rahel und Lea) als ‚Erzmütter‘ bzw. ‚Ahnmütter‘ […] in diesen Erzählungen trotz deren patriarchalischer Prägung von wesentlicher Bedeutung sind“. „Selbst dort, wo Männer scheinbar die Handlung tragen, nehmen Frauen entscheidende Rollen ein.“[1] Die Vorsilbe Erz- stammt vom griechischen arch- „Erster-, Höchster-“ und bezieht sich auf die Reihen- und zugleich Rangfolge dieser Personen in der biblischen Gesamtgeschichte Israels.[2]

Rekonstruierter Stammbaum der Erzeltern in der Bibel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

 
 
 
 
 
 
unbekannt
 
 
 
Terach
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
unbekannt
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Nahor
 
Milka
 
 
Haran
 
unbekannt
 
Ketura
 
Abraham
 
Sarah
 
 
Hagar
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
(7 Söhne)
 
Betuël
 
unbekannt
 
LotJiska
 
(6 Söhne)
 
Isaak
 
Ismael
 
unbekannt
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
unbekannt
 
 
 
Laban
 
 
 
 
 
Rebekka
 
 
 
 
 
 
 
 
 
(12 Söhne)
 
Mahalat
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Lea
 
 
 
Rachel
 
 
 
 
 
 
Jakob
 
 
 
Bilha
 
Silpa
 
Esau
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
Ruben
 
 
Levi
 
 
Issachar
 
 
Dina
 
Josef
 
 
 
Dan
 
 
 
Gad
 
 
 
 
 
 
 
 
Simeon
 
Juda
 
Sebulon
 
 
 
 
Benjamin
 
 
Naftali
 
 
Ascher
 
 
 
 

Zwölf Stämme Israels[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grobgliederung des Buches Genesis mit Hervorhebung wichtiger Kapitel und Verse

Die zwölf Jakobssöhne (Abrahams Urenkel) sind biblisch die Stammväter der Zwölf Stämme Israels, also des Gesamtvolkes, dessen Geschichte ab dem 2. Buch Mose (Exodus) erzählt wird (Jakobs Tochter gehört nicht dazu). Die Entstehung dieses Volkes hatte Israels Gott JHWH dem Abraham zu Beginn der Erzelternerzählung versprochen (Gen 12,1–3 EU); am Schluss bekräftigt er diese Segenszusage (Gen 50,24ff. EU). Die Versöhnung der Söhne Jakobs nach dessen Tod bildet somit das „politische Lebensprogramm für Israel“. Die gesamte Erzählung umfasst nach dem Eigenkontext einen riesigen Zeitraum seit dem Noachbund nach der Sintflut (GenEU) bis zur Sklaverei der Israeliten im Alten Ägypten (Ex 1). Tatsächlich spiegelt sie jedoch schon die spätere Besiedlung des gelobten Landes Kanaan, von der die weiteren biblischen Bücher erzählen.[3] Der Entstehungsprozess der Erzählung von ersten Einzeltexten bis zur Endkomposition der Tora (des Pentateuch) ist sehr komplex und umstritten. Konsens besteht heute darin, dass die Endredaktion, die die Erzelternerzählung mit der vorangehenden Urgeschichte (Gen 1–11 EU) und der folgenden Exoduserzählung verknüpfte, um 450–400 v. Chr. geschah.[4]

Forschungsgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Albrecht Alt prägte 1929 den BegriffGott der Väter[5] und nahm damit Bezug auf die Erzelternerzählungen. Der Begriff umschreibt den Unterschied zu den kanaanäischen Gottheiten, die sich über ihren Kultort definierten, während die „Vätergottheiten“ durch die Person, die Erzväter (-mütter), bestimmt wurden, denen er sich zum ersten Mal offenbarte,[6] während die Kanaanäer, deren Zentren die kanaanäischen Stadtstatten wie Hazor, Megiddo und Lachisch waren, ihre Götter an bestimmten Kultplätzen verehrten, so En-Gannim, Jibleam, Dotan, Tirza und Besek.[7]

Aufbauend auf den Arbeiten Albrecht Alts und Martin Noths ergab sich für viele Alttestamentler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts folgendes Bild der Frühzeit Israels: In dem Zeitraum zwischen den 12. bis zum 9. Jahrhunderts v. Chr. sind Auseinandersetzungen zwischen den nicht sesshaften „Aramäern“ („aramäische Wanderbewegung“, Deut 26,5 EU) und den Assyrern (Assyrien) in der Region um den Tigris sowie den ehemals hethitischen Besitzungen westlich des Euphrats belegt.[8][9][10] Aus diesen nicht geschlossenen ethnischen Gruppen wanderten einige nach Kanaan ein und ließen sich dort um das 13. Jahrhundert v. Chr. als einzelne nomadische Stämme aramäischer Herkunft nieder („Landnahme der Israeliten“). Die Familien- und Sippenverbände wechselten saisonal von den Winterweiden zu den Sommerweiden, sie waren als Verbände lose organisiert und wurden von Stammesältesten angeführt. Dabei verehrten sie überwiegend „Vätergottheiten“.

Martin Metzger[11] beispielsweise griff in seinem Grundriss der Geschichte Israels (5. Auflage 1979) Alts These vom „Gott der Väter“ auf und vermutete, dass die an den Kultplätzen oder Heiligtümern tradierten Kulterzählungen sukzessive auf die „Vätergottheiten“ übertragen worden seien, wobei insbesondere die Figur der Erzväter bzw. Erzelterngestalten in die kultischen Erzählungen einbezogen worden seien.[12] Die Erzelterngenerationen sind Abraham und Sara ihr Sohn Isaak und dessen Frau Rebekka, ihre Söhne Esau und Jakob sowie dessen Ehefrauen Lea und Rachel.[13] So sei das Baumheiligtum von Mambre bei Hebron in die Abrahamserzählung (Gen 18,23 EU) eingeflossen, das Quellen- oder Brunnenheiligtum von Beerscheba Anknüpfungspunkt für die Erzählung um Isaak (Gen 26,23-25 EU) geworden und die Höhen(heiligtümer) von Sichem (Gen 33,18-20 EU), Bet-El (Gen 28,10-22 EU), Penuel (Gen 32,22-32 EU) sowie Mahanajim (Gen 32,2 EU) wurden in die Erzählungen um Jacob eingewoben. In einem nächsten Schritt der Religionsentstehung seien die Erzelterngestalten auch genealogisch (rekonstruierter Stammbaum) verbunden und die zugehörigen Gottheiten unter dem Begriff der „Gott Abrahams Isaaks und Jacobs“ oder den „Gott der Väter“ (Ex 3,6 EU) zusammengeführt worden. Damit sei die Umwandlung der Verehrung an den heiligen Orten zu der tradierten Erzählung „Gott der Väter“ weitgehend abgeschlossen gewesen.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Genesis, 3 Bände in vier Teilbänden, Band 2/1. 1997, ISBN 3-7887-1526-X.
Genesis, 3 Bände in vier Teilbänden, Band 2/2. 1999, ISBN 3-7887-1583-9.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Anke Mühling: Erzeltern. In: Michaela Bauks, Klaus Koenen, Stefan Alkier (Hrsg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (WiBiLex), Stuttgart Juli 2009, abgerufen am 2. Oktober 2023.; Matthias Millard: Genesis – 3.1.3. Die Eigenständigkeit der Erzelternerzählung. WiBiLex, März 2006.
  2. Erz- (Erzengel, Erzhirte, Erzvater) Die deutsche Vorsilbe »Erz-« geht auf das griechische Wort für Anfang (»arche«) zurück und bezeichnet den rangmäßig Ersten, Ältesten oder den Höchsten einer Gruppe“ (Lutherbibel 2017, Sach- und Worterklärungen)
  3. Erich Zenger: Einleitung in das Alte Testament. 6. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019526-4, S. 63.
  4. Erich Zenger: Einleitung in das Alte Testament. 6. Auflage, Kohlhammer, Stuttgart 2006, ISBN 978-3-17-019526-4, S. 68–135, hier S. 127.
  5. Albrecht Alt: Der Gott der Väter. Ein Beitrag zur Vorgeschichte der Israelitischen Religion. W. Kohlhammer, Stuttgart 1929
  6. Andrea Beyer: Gottesbegegnung (AT). 3. Ur- und Vätergeschichte (Gen 1-11.12-50). In: bibelwissenschaft.de. Deutsche Bibelgesellschaft, Februar 2017, abgerufen am 29. Januar 2023.
  7. Robert Wenning, Erich Zenger: Ein bäuerliches Baal-Heiligtum im samarischen Gebirge aus der Zeit der Anfänge Israels. Erwägungen zu dem von A. Mazar zwischen Dotan und Tirza entdeckten „Bull Site“. Zeitschrift des Deutschen Palästina-Vereins 102, 1986, S. 75–86, auf archiv.ub.uni-heidelberg.de
  8. Helmuth Egelkraut, William S. LaSor, David A. Hubbard, Frederic W. Bush: Das Alte Testament: Entstehung, Geschichte, Botschaft. Brunnen Verlag, Gießen 2016, ISBN 978-3-7655-7711-6, S. 163–170, auf google.books.de [1]
  9. Annemarie Ohler: dtv-Atlas Bibel. 3. Auflage, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 2006, ISBN 3-423-03326-6, S. 38.
  10. Werner H. Schmidt: Einführung in das Alte Testament. 5. Auflage, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2012, ISBN 3-11-014102-7, auf books.google.de [2]
  11. Martin Metzger: Grundriß der Geschichte Israels. 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 24
  12. Martin Metzger: Grundriß der Geschichte Israels. 5. Auflage, Neukirchener Verlag, Neukirchen-Vluyn 1979, ISBN 3-7887-0463-2, S. 25 u. 57
  13. Michael Pietsch: Väterverheißungen. In: bibelwissenschaft.de. Deutsche Bibelgesellschaft, Februar 2012, abgerufen am 29. Januar 2023.